Ferdinand Habsburg: Junger Rennfahrer mit alten Werten

Ferdinand Habsburg-Lothringen ist Autorennfahrer. Und er ist Urenkel von Karl I., dem letzten Kaiser von Österreich. Im PRO-Interview spricht er darüber, was ihm christliche Werte bedeuten und was das mit seiner Familie zu tun hat.
Von Jörn Schumacher
Ferdinand Habsburg

PRO: Herr Habsburg, Sie sind der Urenkel des letzten Kaisers von Österreich. Was bedeutet Ihnen die Zugehörigkeit zu solch einer prominenten Familie?

Ferdinand Habsburg: Meine Familie ist meine Familie. Wir versuchen uns zu sehen, wenn es geht, wir haben eine Whatsapp-Gruppe so wie die meisten Familien. Wir leben an unterschiedlichen Orten auf der Welt.

Ihr vollständiger Name umfasst neun Vornamen. Benutzen Sie die manchmal, etwa bei der Anmeldung für Rennen?

Nein, die werden nur verwendet in Interviews bei genau dieser Frage (lacht). Aber im Ernst: Sie kommen nie zum Tragen. Ein Vorname reicht mir momentan noch aus. Der einzige davon, den ich manchmal verwende, ist Zvonimir, das ist ein kroatischer Vorname. Mein Urgroßvater, der in Kroatien sehr beliebt war, hat mich immer Zvonimir genannt, und bei Kroaten verwende ich diesen Namen gern. Sonst benutze ich einfach nur Ferdinand.

Ferdinand Habsburg Foto: Drew Gibson | CC BY-SA 4.0 International

Ferdinand Habsburg wurde 1997 in Salzburg geboren. Sein Urgroßvater Karl war von 1916 bis 1918 letzter Kaiser Österreichs. Ferdinand Habsburg startete in der Formel 3 und der DTM. Seit 2021 geht er in internationalen Langstrecken-Rennserien an den Start. In der Weltmeisterschaftsserie gewann er mit seinem Team das 89. 24-Stunden-Rennen in Le Mans. 2022 holte er in der European Le Mans Serie den Titel. In diesem Jahr fährt er in der Weltmeisterschaft. Habsburg ist zudem Experte für Motorsport im österreichischen Fernsehsender ORF und analysiert Formel1-Rennen.

 

Die Familie der Habsburger ist dafür bekannt, sich auch heute noch regelmäßig zu treffen. Es gibt dort auch Mitglieder, die einer Restauration, also einer Wiedereinführung des Adels, nicht unbedingt abgeneigt wären. Wie stehen Sie dazu?

Die Menschen, die solche Sachen wollen, sind nach meiner Erfahrung nie Menschen aus dem alten Adel, sondern Menschen, die mit der derzeitigen Situation in der Welt unzufrieden sind und irgendwie nach Antworten in ihrem Leben suchen. Ich bekomme über soziale Netzwerke immer wieder Anfragen von Menschen, die Pläne dazu haben, wie man den Adel oder sogar eine Monarchie wieder einführen könnte, und ob ich daran Interesse habe.

Die Vorstellung, dass ich da in irgendeiner Art wieder auf einem Thron sitzen würde, mit einer Krone auf dem Kopf, ist für mich Märchenfilm-Nonsene und tiefste Vergangenheit. Ich bin hier gerade im Urlaub in einem ganz normalen Hotelzimmer, hier liegt mein Surfbrett auf dem Boden. Das interessiert mich. Wenn ich an Adel etwas Positives sehe, dann eine gewisse Verantwortung, bestimmte Werte zu repräsentieren. Das sind für mich christliche Werte.

Welche Familie hat schon über Jahrhunderte hinweg immer versucht, die christlichen Werte zu vertreten, auch in einer veränderten Welt – und es war keine Familie im Vatikan? Für mich ist das meine Familie. Das sind Hunderte von Menschen, die versuchen, christliche Werte zu leben, auch in einer modernen Form. Für mich ist da einfach die Frage wichtig: Was macht ein Habsburg in der heutigen Zeit? Oder anders: Was mache ich mit meinem Namen?

Und was machen Sie damit?

Für mich heißt das konkret, für die Werte einzustehen, für die meine Vorfahren gekämpft haben. Und nur weil sich die Menschen um mich herum, in einer modernen Zeit, in eine Richtung bewegen, heißt das nicht, dass diese Werte nutzlos werden. Man muss nur in die Nachrichten schauen, da wird man verrückt, wenn man sieht, was in der Welt passiert.

Also habe ich vielleicht doch einen gewissen „Vorteil“ durch meine Geburt und meinen Namen: Auf der einen Seite kann ich voll versagen, auf der anderen Seite trage ich eine gewisse Verantwortung, weil die Leute auf mich schauen. Ich glaube, ich führe mein Leben in einer guten Kombination aus meiner Jugendlichkeit und meinem Glauben.

Was bedeuten Ihnen die christlichen Werte?

Es geht zunächst einmal um die absoluten Basics: Nächstenliebe, die Wahrheit sagen, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden will, und etwas abgeben an die, die weniger haben als du.

Glaube heißt aber auch die gute Nachricht: Wenn man sich in der Welt am aller einsamsten fühlen kann, dann muss das nicht sein. Da ist die Botschaft der Liebe, dass man sein Leben nicht auf Hass oder Eifersucht aufbaut, sondern Liebe gibt, so authentisch wie es geht. Und immer wieder die Erinnerung, dass wir alle Gottes Kinder sind und wir deswegen überhaupt keine Gründe haben, andere zu verurteilen.

Wie sieht Ihr persönlicher Glaube aus?

„Es tut mir gut, Gott zu suchen.“

Ich spreche sehr gerne offen darüber, dass ich immer sonntags in die Kirche gehe, und ich habe immer einen Rosenkranz bei mir. Ich versuche täglich dankbar zu sein und um Vergebung zu bitten. Mindestens einmal im Jahr nehme ich mir eine Auszeit nur für Gott. Zuletzt war ich in Medjugorje in Bosnien und Herzegowina. Ich versuche proaktiv Gott näher zu kommen. Ich bin zwar als Teenager aus der Kirche ausgestiegen, weil ich es doof fand. Aber jetzt merke ich immer mehr, dass das eine Sache ist, die ich brauche. Es tut mir so gut, Gott zu suchen, und es schenkt mir Glücklichkeit (sic), wenn ich ihm ehrlich und offen mein Herz öffne.

Lesen Sie in der Bibel? Haben Sie einen Lieblings-Bibelvers?

Ich lese hin und wieder in der Bibel, aber ich habe sie noch nie ganz durchgelesen. Ich lese gerade das Matthäus-Evangelium, da finde ich immer wieder etwas für mich. Es gibt einen Satz, den ich sehr liebe, und das ist „Kyrie eleison“. Der trägt so viel in sich, in verschiedenen Sprachen.

Mit welchen Menschen können Sie über Ihren Glauben sprechen?

In Wien haben wir das „Zentrum Johannes Paul II.“, ein kleines Jugendzentrum, das seinen Sitz derzeit noch über einer Tankstelle hat. Dort treffen sich junge Menschen, die den Glauben teilen. Es ist eigentlich traurig: In Wien gibt es nur noch rund fünf Prozent praktizierende Katholiken. Aber auch in meiner Familie gibt es Menschen, mit denen ich darüber gut reden kann.

Kennen Sie noch andere gläubige Motorsportler?

Es gibt im Motorsport nicht so viele gläubige Menschen. Wenn, dann sind sie fast immer aus Südamerika. Aber sonst gibt es in dieser Welt wenig Spiritualität. Es ist eine sehr egozentrische Welt, der falsche Ort, um über Nächstenliebe zu reden (lacht). Umso kurioser finde ich es, dass ich genau in dieser Welt bin mit meinem Glauben. Ich habe mir schon manches Mal überlegt, ob es nicht besser für mich wäre, dort auszusteigen. Aber mehr und mehr habe ich das Gefühl, dass ich dort genau am richtigen Ort bin.

Früher waren sehr viel mehr Rennfahrer gläubig, aus dem einfachen Grund, weil dort sehr viele Menschen gestorben sind, ich vermute, da gibt es eine Korrelation. Heutzutage ist die Gefahr viel geringer; selbst bei schlimmen Unfällen ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass man ernsthaft verletzt wird. Ich glaube jedenfalls, dass man in diesem egozentrischen Sport gläubig sein und Werte vertreten kann.

Warum meinen Sie, genau am richtigen Ort zu sein? Welche Stärken bringen Sie dafür mit?

Erstens macht mir dieser Sport unheimlich Spaß, zweitens glaube ich, dass ich eine gewisse Positivität mit in eine Welt bringe, die sehr grau sein kann, weil jeder ständig unter Druck steht. Mein größter Vorteil ist, dass ich als Teamleader gut Leute motivieren kann, füreinander zu arbeiten. Das bedeutet, dass ich meistens die besten Mechaniker und das beste Miteinander im Team habe. Ich glaube, das ist ein wichtiger Grund für die Siege, die wir derzeit einfahren.

Was ist für Sie das nächstes Ziel?

Ich habe vor kurzem eine Firma gegründet, die es Motorsport-Begeisterten ermöglicht, ein eigenes Team aufzustellen. Anstatt ein Team von einem Sponsoren finanzieren zu lassen, erhalten 10.000 Menschen weltweit die Möglichkeit, ein Rennteam zu finanzieren, sie können aber dann auch alle Entscheidungen treffen, also: über das Auto, über den Fahrer, das Design-Konzept und so weiter. Das Ganze heißt „Rebel-Team“. Mein Ziel ist es, in genau den Werten, von denen ich gesprochen habe, ein Team zu führen: ganz demokratisch und mit viel Nächstenliebe.

Auf der persönlichen Ebene möchte ich gerne im Glauben weiterkommen. Wenn ich, wie in den letzten Tagen, extrem viel gearbeitet habe, merke ich, dass ich nur noch auf das Materielle fokussiert bin. Vorgestern war ich in der Messe, heute habe ich gebetet und ich merke sofort, wie alles von mir abfällt. Mein Herz öffnet sich sofort, und ich habe das Gefühl: Eigentlich muss ich mir keine Sorgen machen, jemand schützt mich.

Vielen Dank für das Gespräch!

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