Der Hamburger Amokschütze hatte offenbar eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, handelte jedoch in vollem Bewusstsein. Dieses Bild ergibt sich nach Informationen von „Zeit online“ aus neuen Erkenntnissen der Hamburger Polizei, die zwei Gutachten zum geistigen Zustand des mutmaßlichen Täters Philipp F. in Auftrag gegeben hatte. Es gilt als gesichert, dass F. am 9. März in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Groß Borstel sieben Gläubige erschoss, bevor er auch sich selbst tötete. F. soll ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas gewesen sein.
Der Psychiater Christoph Lenk, der regelmäßig als Gutachter für Strafgerichte die Schuldfähigkeit von Angeklagten einschätzt, war von den Hamburger Ermittlern mit einer psychiatrischen Analyse Philipp F.s beauftragt worden. Grundlage für das Gutachten war das Buch, das F. im Dezember 2022 veröffentlicht hatte.
Aus einem Experten-Gutachten des Londoner Extremismusforschers Peter Neumann geht hervor, dass F.s Buch „Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und den Satan“ vorrangig religiöse Züge habe. So richte sich der Zorn F.s in erster Linie gegen christliche Religionsgemeinschaften. Damit ließen sich demnach sowohl das Tatmotiv als auch das Anschlagsziel schlüssig erklären.
Kein politischer Extremismus
Doch die Zeugen Jehovas würden in dem Buch nicht genannt. Zudem rufe F. an keiner Stelle zu Gewalt auf oder billige den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung ideologischer Ziele. Des Weiteren ergäben sich keine Rückschlüsse auf eine rechtsextreme Gesinnung des mutmaßlichen Täters. Die Ansichten im Text seien teils widersprüchlich, könnten mitunter auch als anti-demokratisch verstanden werden, hieß es. Dies reiche in der Gesamtschau jedoch für eine Einstufung als politischer Extremismus nicht aus.
In dem psychiatrischen Gutachten, über das „Zeit online“ berichtet, heißt es, F. habe mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine sogenannte kombinierte Persönlichkeitsstörung entwickelt, mit überwiegend narzisstischen Anteilen. Er habe demnach ein übersteigertes Bedürfnis nach Anerkennung gehabt und zeigte deutliche Anzeichen von Selbstüberschätzung und Größenwahn. F. hatte sich vor der Tat als angeblicher Berater selbstständig gemacht und verlangte dafür ein absurdes Honorar von mindestens 250.000 Euro pro Tag von Kunden.
Hinweise auf eine psychische Erkrankung sah Gutachter Lenk jedoch nicht, ebenso wenig wie auf eine Drogensucht. Die Hamburger Polizei hatte Medienberichten zufolge Anfang des Jahres eine Warnung erhalten, F. sei psychisch krank und gefährlich. F.s Pamphlet im Internet hatte die Waffenbehörde zwar gefunden, aber nicht genauer geprüft.
Waffenbesitzer sollen nach Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) künftig bei Verdacht einer Gefährdung die Waffe vorübergehend abgeben müssen. Ihr Ministerium prüfe zudem, wie man Behörden zu Internetrecherchen verpflichten kann, wenn es entsprechende Hinweise auf Gefährdungen gibt, sagte Faeser dem Nachrichtenportal „t-online“ (Mittwoch). Außerdem soll der Zeitraum verlängert werden, der vor Erteilung einer Waffenbesitzkarte überprüft wird.