Wie die britische Zeitung The Guardian berichtet, rief die Kirche von England eine Kommission ins Leben, welche klären soll, ob die Pronomen für Gott geschlechtsneutral werden könnten. Ob eine Änderung der Wortwahl aber wirklich Praxis wird, muss vorher, wie bei allen einschneidenden Entscheidungen, die Synode mehrheitlich beschließen.
Der Bischof von Lichfield und Vizevorsitzender der Kommission für Liturgie, Michael Ipgrave, sagte, die Kirche von England bedenke schon seit mehreren Jahren die Möglichkeit, eine andere Sprache in Bezug auf Gott zu benutzen. Ab Frühling werde es ein neues Projekt zur Frage nach den Begrifflichkeiten geben, sagte Ipgrave. Dies geschehe im Zusammenhang mit anderen Änderungen in der Liturgie.
Die anglikanischen Geistliche Joanna Stobart von der Gemeinde Ilminster und Whitelackington in Somerset hatte sich bei der Kirche offiziell nach einer „inklusiveren Sprache“ im Gottesdienst erkundigt. Anlässlich einer Synodensitzung im Februar brachte sie die Frage ein: „Könnte die Kommission zur Liturgie uns darüber informieren, inwiefern eine inklusivere Sprache für die Liturgie entwickelt wird, und welche Möglichkeiten all jene haben, die von Gott in einer nicht-gegenderten Art sprechen wollen, besonders in Bezug auf den Sündenerlass, bei dem viele der Gebete von Gott nur in männlichen Pronomen gesprochen wird?“
Kritik: Vater und Mutter nicht austauschbar
Noch gibt es keine Details zur geplanten Kommission und den möglichen Sprachänderungen. Zudem ist offen, welche Wörter anstelle der männlichen Form von „Gott“ treten könnten. In der Bibel und in den liturgischen englischsprachigen Texten ist von Gott als „Vater“ die Rede, und auf ihn wird stets mit „he“ oder „his“ (er/sein) verwiesen. Das „Vaterunser“ heißt im Englischen „Lord’s Prayer“ – das Gebet des Herrn.
Wie der Guardian berichtet, gibt es an den Überlegungen Kritik aus konservativeren Kreisen der Anglikanischen Kirche. Reverend Ian Paul sagte der Zeitung The Telegraph: „Die Tatsache, dass Gott ‚Vater‘ genannt wird, kann man nicht einfach abschaffen dadurch, dass man von nun an ‚Mutter‘ sagt, ohne den Sinn zu ändern. Auch so etwas wie ‚Elternteil‘ zu sagen, verändert den ursprünglichen Sinn.“ Paul fügte hinzu: „Väter und Mütter sind nicht einfach austauschbar, sondern bedeuten für ihren Nachwuchs etwas unterschiedliches.“
Ein Sprecher der Church of England teilte mit: „Das alles nicht ist neu. Christen haben seit Urzeiten anerkannt, dass Gott weder männlich noch weiblich ist. Die unterschiedlichen Möglichkeiten, Gott zu beschreiben und anzusprechen, finden sich in der Schrift, und das spiegelte sich nicht immer in unserer Anbetung wieder.“
Weiter hieß es, seit über 20 Jahren suche die Kirche nach neuen, zeitgemäßen Formen. Noch gebe es aber keine konkreten Pläne, grundlegende liturgische Formen abzuschaffen. Diese könnten ohnehin nicht ohne die üblichen kirchenrechtlichen Verfahren umgesetzt werden.
Steilvorlage für Putin
Die Nachricht von den Überlegungen der Anglikanischen Kirche, Gott eventuell demnächst zu gendern, sorgte weltweit für Schlagzeilen. Sogar der russische Präsident Wladimir Putin ging in seiner Rede zur Lage der Nation aktuell auf diese Meldung ein und nutzte sie für seine anti-westliche Propaganda.
Wenn die Kirche von England Gott demnächst geschlechtsneutral machen wolle, zeige das bloß, dass „der Westen“ in eine „geistliche Katastrophe“ stürze, sagte Putin am Dienstag laut einem Bericht der britischen Zeitung Daily Mail.
Die westliche Kultur betreibe einen Kulturkrieg gegen die russische Orthodoxe Kirche, behauptete Putin. „Die Anglikanische Kirche erwägt, einen gender-neutralen Gott einzuführen. Möge Gott ihnen vergeben, denn sie wissen nicht, was sie tun“, sagte der russische Präsident.
Die Kirche von England gibt keine offiziellen Mitgliederzahlen heraus, Schätzungen zufolge gehören rund 26 Millionen getaufte Menschen der Kirche an. In einer Umfrage der Kirche gaben 2019 etwa 1,1 Millionen Menschen an, regelmäßig in einen Gottesdienst zu gehen.