Jona im Bauch des Fisches – sofort hat jeder ein Bild im Kopf, zum Beispiel aus einer hübschen Kinderbibel. Und was ist mit blinden Menschen? Dafür gibt es nun Abhilfe. Jonas Geschichte kann sich neuerdings nämlich nicht nur sehen lassen, sondern auch erfühlen. Das zeigt ein Projekt des Dachverbandes der evangelischen Blinden- und evangelischen Sehbehindertenseelsorge (DeBeSS).
Es ist die erste biblische Geschichte, die als Fühlbuch für blinde und sehgeschädigte Kinder entstanden ist. Hinter dem Projekt stehen die Theologische Referentin des DeBeSS, Barbara Brusius, die Sonderpädagogin Lea Schwenk, die ihre Bachelor-Arbeit über „taktile“ Bücher geschrieben hat, sowie die beiden blinden Theologen Andreas Chrzanowski und Reiner Delgado, Referent für Soziales (Bildung, Frauen, Jugend, Sport, Kultur, Taubblinde) beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV).
„Bei Jona steckt ganz viel Gottesbeziehung drin“
Für Jona haben sich die Initiatoren „wegen seiner spannenden Persönlichkeit“ entschieden: „Der Prophet läuft erst vor Gottes Auftrag weg, bewältigt ihn aber dann mit dessen Hilfe trotzdem. Da steckt ganz viel Gottesbeziehung drin. Aber auch über die Themen Angst, Geborgenheit und Zuwendung kann man mit den Kindern nachdenken“, findet Brusius.
Außerdem sind die Szenen gut geeignet, um sie mit allen Sinnen zu begreifen. So lässt sich die Jona-Figur aus dem Buch herausnehmen und in einen Stoff-Wal stopfen. Das Meer besteht aus einer Latexbahn, die im wahrsten Sinne des Wortes hohe Wellen schlagen kann. Damit auch sehende Kinder das Buch nutzen, haben die Macher sich für farbenfrohe Bilder entschieden.
„Eine Kinderbibel nur in Punktschrift reicht nicht, weil blinde Kinder da nichts wahrnehmen können“, verdeutlicht Chrzanowski. „Die Vorstellung von uns Blinden entsteht durch das Fühlen. Wir können mit einem Baum erst etwas anfangen, wenn wir die Rinde oder ein Blatt angefasst haben. Wir lernen, wie wir uns unsere Welt langsam durch Fühlen zusammensetzen.“ Lange haben die Bibel-Entwickler über Materialien und Stoffe diskutiert, die sie verwenden. Denn: „Sehende und Blinde fühlen unterschiedlich.“
Herzenssache, um den Bedarf zu erfüllen
Auf jeder Seite ist der angepasste Text der Geschichte sowohl in Punktschrift als auch in Großdruck zu sehen. Damit sich die Punktschrift gut abhebt und die Strukturen fühlbar werden, wurde ein mehrschichtiges Druckverfahren mit UV-Lack gewählt. Ein QR-Code im hinteren Teil des Buches bietet dem Leser eine Text- und Hörfassung mit Geräuschen an. Zudem haben die Initiatoren pädagogische und theologische Ansätze gesammelt, um mit Kindern unterschiedlichen Alters ins Gespräch zu kommen. Die Ausarbeitungen sind für alle im Internet verfügbar.
Von dem Buch soll es zunächst 200 Exemplare geben. Durch die vielen ehrenamtlichen Helfer, die beim Nähen und Basteln der Fische und Figuren geholfen haben, konnten die Kosten einigermaßen im Rahmen bleiben. Ohne die Förderung einer Stiftung und zweier Landeskirchen müsste das 60 Euro teure Buch zweieinhalbmal so viel kosten. Die Freizeit der vier Initiatoren ist dabei nicht eingerechnet: „Es war uns eine Herzenssache, denn der Bedarf und die Nachfrage sind da.“
Dieser Artikel erschien zuerst in PRO – das christliche Medienmagazin, Ausgabe 1/2023. Sie können die Ausgabe hier bestellen.