Meinung

Hört auf mit Jahresrückblicken auf Social Media

Social Media bildet nie die ganze Realität ab. Das weiß jeder. Die Selbstdarstellungsplattformen fördern Neid und Minderwertigkeitsgefühle – gerade am Ende eines Jahres. Das stört mich.
Von Martin Schlorke
Handy mit Social-Media-Kanälen auf dem Bildschirm

Das Jahr 2022 geht zu Ende, Weihnachten und Silvester stehen vor der Tür. Das ist für viele eine Zeit, um auf die vergangenen 365 Tage zurückzublicken. Was waren Highlights, welche ersten Male hat man erlebt? Welche Länder wurden bereist, welche privaten oder beruflichen Meilensteine erreicht?

Sich Zeit zu nehmen, um zu reflektieren und dankbar für alles Erlebte zu sein, ist grundsätzlich richtig und wichtig und kann ich jedem nur empfehlen. Das gehört allerdings in ein Tagebuch oder in ein privates Gespräch mit Freunden und nicht auf Twitter, Instagram und Co.

In den vergangenen Tagen ist aber ein starker Anstieg von solchen Rückblick-Posts in den sozialen Netzwerken zu beobachten – und es werden leider sicherlich noch mehr in den nächsten sieben Tagen. Da erzählen Menschen von der Anzahl der Bücher, die sie in diesem Jahr geschrieben haben oder von den drei Urlaubsreisen nach Prag, Bali und Portugal. Follower erfahren von den 176 analogen neuen Freund- und Bekanntschaften, der neuen Liebe oder dem Jobwechsel, der mehr Geld, Sinn und Freude mit sich gebracht hat. „Endlich kann ich mich auf Arbeit verwirklichen.“

Und natürlich seien die Feiertage nun wichtig und verdient, um die Akkus aufzuladen, damit das kommende Jahr ähnlich erfolgreich bewältigt werden kann, heißt es in den meisten dieser Postings.

„Du bist nicht dein Jahr!“

Zwei Gedanken möchte ich an dieser Stelle loswerden.

Ich freue mich ehrlich für jeden, der voller Zufriedenheit auf sein persönliches Jahr zurückschaut. Nur sollte auch bedacht werden, was das bei Menschen auslöst, die subjektiv betrachtet kein solch aufregendes oder erfolgreiches Jahr hatten. Die einen geliebten Menschen verloren haben, einen Beruf nachgehen, der vielleicht einfach nur Beruf ist und nicht so spektakulär daherkommt. Oder die kein Geld für Urlaube und Städtetrips haben, geschweige denn die Kraft oder Zeit, um ein Buch zu schreiben.

Diesen Menschen sei gesagt: „Du bist nicht dein Jahr!“ Der Wert eines Menschen hängt nicht vom Erfolg, vom Erlebten oder der Beliebtheit ab. „Du bist wertvoll, weil du bist“, hat Samuel Koch einmal gesagt. Gott ist es herzlich egal, was du 2022 geleistet hast und ihm wird es auch im kommenden Jahr egal sein. Für ihn zählt nur dein Herz.

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Eine Antwort

  1. Niemand ist gezwungen, die Selbstdarstellungen in den (a)sozialen Netzwerken zu konsumieren. Es gibt durchaus bessere Alternativen.

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