„Wir werden von Anfragen für Cannabis-Entgiftungen überschwemmt“, sagt Thomas Klein. Er ist Oberarzt der Abteilung Allgemeine Psychiatrie, Psychotherapie, Sozial- und Suchtmedizin der christlich orientierten Klinik Hohemark. Der Grund für den Andrang: Immer weniger Kliniken würden Entgiftungen für Cannabis-Süchtige anbieten, weil Krankenkassen regelmäßig die Kostenübernahme ablehnen. Dabei gebe es auch unter Cannabis-Süchtigen besonders schwere Fälle, bei denen eine stationäre Entgiftung nötig sei. Cannabis sei nicht ungefährlich, sagt Klein.
Die Ampelregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag 2021 die Legalisierung von Cannabis festgeschrieben. Im Oktober hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Eckpunktepapier der Regierung präsentiert. Demnach sollen Cannabis – Teile der weiblichen Hanfpflanze – und der darin enthaltene Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel gelten.
Das Papier will den Besitz von 20 bis 30 Gramm Cannabis und den privaten Anbau der Hanf-Pflanze erlauben. Drei Pflanzen pro Erwachsenem wären dann erlaubt. Verkauft werden soll Cannabis in lizenzierten Geschäften. Befürworter wollen mit der Freigabe unterbinden, dass das Rauschmittel mit Substanzen verunreinigt wird.
Die Legalisierung soll letztlich dem Jugend- und Gesundheitsschutz dienen. Das in Cannabis enthaltene THC wirkt auf das zentrale Nervensystem des Menschen und hat einen muskelentspannenden, beruhigenden und schmerzlindernden Effekt. Seit 2017 können cannabishaltige Produkte zu medizinischen Zwecken vom Arzt verordnet werden.
Psychosen drohen
Thomas Klein warnt vor Cannabis-Konsum. Zwar sei die „Toxizität“ etwa bei Alkohol deutlich höher als bei Cannabis. Doch manche Konsumenten seien in ihrer Veranlagung sensibler als andere. Die stünden dann in der Gefahr, in eine Psychose abzurutschen: Wahnhafte Zustände, Ängste, Halluzinationen – und das über Monate, wenn die Droge schon längst nicht mehr im Körper ist. Je früher man zu kiffen beginne, besonders in der Jugend, desto stärker werde die Entwicklung der Persönlichkeit und der emotionalen Reife beeinträchtigt. Immer wieder führe dies dazu, dass die Betroffenen in ihrer Entwicklung stehenbleiben und sich als Erwachsene emotional noch in der Pubertät befinden.
Das Risiko, dass ein Jugendlicher bei regelmäßigem Gebrauch vor dem 15. Lebensjahr an einer schizophrenen Psychose erkrankt, ist laut Studien bis um das Sechsfache erhöht. Fast jeder zehnte Cannabiskonsument wird abhängig. Auch kognitive Einschränkungen sind durch Studien belegt. Cannabiskonsumenten zeigen überdurchschnittlich oft Einschränkungen bei abstraktem Denken, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Lernen und psychomotorischen Funktionen. Die Jugendlichen, die das Regierungsvorhaben auch schützen soll, sind also besonders gefährdet vom Cannabis-Konsum.
Der Psychiater, Psychotherapeut und Psychoanalytiker Rainer Matthias Holm-Hadulla warnt in der sogenannten „Göttinger-Studie“ davor, Cannabis als ungefährliche Freizeitdroge anzusehen und die Risiken zu verleugnen. Erwehrt sich auch gegen den angeführten Vergleich von Cannabis- und Alkoholkonsum. Die Zahl der Personen, die Alkohol ohne jeden Schaden trinken, sei um ein Vielfaches größer als durch Cannabis.
„Prohibition hat noch nie funktioniert“
Michael Lenzen, Vorstand der christlichen Drogenarbeit „Neues Land“, ist ebenfalls gegen die Legalisierung. Er fürchtet, dass es ähnlich wie beim Shisha-Rauchen zu einem Konsumtrend kommt, weil Cannabis als harmlos eingestuft wird und dann auch Produkte „unter der Ladentheke“ mit stärkerem THC-Gehalt als vorgesehen angeboten werden. Die Weitergabe von Erwachsenen an Minderjährige könne – ähnlich wie bei Alkohol – nicht ausgeschlossen werden.
Für eine Legalisierung ist Michael Lenger. Er arbeitet bei der Heilsarmee als Straßensozialarbeiter in Hamburg. Cannabis sei nicht unproblematisch, vor allem bei Heranwachsenden. Positiv sieht er jedoch an der Legalisierung, dass die Beschaffungskriminalität sinke und zudem gewährleistet sei, dass das offiziell verkaufte Cannabis nicht mit giftigen Substanzen gestreckt worden sei. Und: „Prohibition hat noch nie funktioniert“, sagt er gegenüber PRO. Den Stoff bekomme man heute an jeder Ecke.
Studien haben gezeigt, dass Cannabiskonsum die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt und berauschte Fahrer häufiger in Unfälle verwickelt sind. Je nach Konsumverhalten wird der Wert sehr häufig noch sechs Stunden bis hin zu mehreren Tagen und Wochen nach der letzten THC-Aufnahme überschritten. Wenn gelegentliche Konsumenten einen Joint mit 0,30 Gramm Cannabis und 10 Prozent THC-Gehalt rauchen, liegen erst acht Stunden danach zehn von elf Probanden unterhalb von 1 Nanogramm (ein Milliardstel Gramm) pro Kubikzentimeter Blut, dem derzeitigen Grenzwert.
Welcher Wert zukünftig gelten soll, darauf legen sich derzeit weder Juristen noch Mediziner fest. Sie empfehlen lediglich, den derzeit angewandten Grenzwert für die THC-Konzentration angemessen heraufzusetzen. Juristen sehen das Vorhaben ohnehin kritisch, weil sich die Regierung mit dem Gesetzesvorhaben gegen internationales Recht stellt. Sie rechnen damit, dass das Gesetz – ähnlich wie die PKW-Maut – vom Europäischen Gerichtshof wieder einkassiert wird.
Auch Zugang zu Alkohol und Zigaretten erschweren
Uwe Heimowski, der Politikbeauftragte der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD), fing mit 16 an zu kiffen. „Wenn ich bestimmte Musik dazu gehört habe, hat Cannabis bei mir Panikattacken ausgelöst.“ Hatte er an einem Wochenende viel gekifft, fiel er in den nächsten Tagen in depressive Löcher.
Als Heimowski Christ wurde, hat er die Finger von Drogen gelassen. Stattdessen engagierte er sich in der christlichen Drogenarbeit in Gera. „Da kamen Jugendliche, die hatten mit acht, neun Jahren angefangen, Cannabis zu rauchen.“ Er hält nichts von dem Argument, Cannabis zu legalisieren, weil das bei Alkohol und Zigaretten bereits der Fall sei. „Aus eigener Erfahrung sage ich: Der Staat soll den Zugang zu Alkohol und Zigaretten erschweren, statt Cannabis zu legalisieren.“
Oberarzt Thomas Klein macht einen grundsätzlichen Trend aus. Durch das Smartphone seien sich die Menschen so nah wie nie, und dennoch litten viele an Einsamkeit. „Immer mehr Menschen versuchen, ihre negativen Gefühle zu manipulieren, um sie nicht mehr zu spüren. Dabei sagt die Bibel, wir sollen nüchtern sein.“ Das bedeute mehr als nur die Abwesenheit von Drogen.
Auch Klein hat nichts gegen ein Glas Wein. Doch wenn Menschen Mittel wie Alkohol oder Cannabis benutzten, um ihre Probleme damit wie mit einem Medikament zu behandeln, laufe etwas schief. Diese Gefahr werde in der Debatte stark unterschätzt.
Anlaufstellen bei Suchtproblemen:
Blaues Kreuz
Deutsches Rotes Kreuz (Telefon: 08000 365 000, für Angehörige: 06062 607 67)
Ein großes Netz an Beratungsstellen bieten:
Caritas
Diakonie
Von: Nicolai Franz, Norbert Schäfer und Martin Schlorke
3 Antworten
Wenn der Glaube verloren geht, dann vergisst der Mensch seine Sorge um den Mitmenschen.
„Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel?
Er sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?
Der HERR aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.“
„Die Zahl der Personen, die Alkohol ohne jeden Schaden trinken, sei um ein Vielfaches größer als durch Cannabis. “
Das halte ich für ein Gerücht. Der größe Schaden durch Cannabis ist eine Psychose aber das ist nichts im Vergleich zu den möglichen Schäden von Alkohol wie z.B. Korsakow oder ein Delirium tremens, das tödlich enden kann. Ebenso kann man an einer Alkoholvergiftung sterben und nicht wenige starben an Leberversagen. An Cannabis ist bisher noch niemand gestorben.
Welche Partei braucht das Suchtmittel Cannabis, um die Leute bei Laune zu halten? Die Beliebtheit in der jugendlichen Suchtmittelscene dürfte doch nicht der Maßstab sein. Wenn der Damm einmal gebrochen ist, holt niemand das Geschehen zurück. „Cannabis-Genuss ohne Nebenwirkungen“ – das muss nicht bei jedem so sein! Meine Erfahrung mit Suchtmitteln: 3 Jahre kein wirksames Schmerzmittel, dann medizinisch kontrollierter Suchtmitteleinsatz mit Erfolg, 5 Jahre keine Neben-wirkung, jetzt: Verlangsamung, Konzentrationsverlust, Wortfindungsstörung, manchmal Zittern und sogar Halluzinationen. Diese Konsequenzen muss ich tragen – wegen medizinischem Grund meiner Einnahme. Aber Genussmittel?? Wer kann das verantworten? Es gibt genug Genussmittel ohne Suchtpotential und ohne eindeutig festgestellte Möglichkeit von Psychosen als „Nebenwirkung“. Selbst eine Altersgrenze von 25 Jahren wäre doch lächerlich – Jüngere würde das nicht hindern am „Genuss“.