Vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gibt es anhaltende Kritik an der Veranstaltung aus den Kirchen. „Für mich ist das eine WM am falschen Ort und zur falschen Zeit“, schrieb der frühere rheinische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, in einem Gastbeitrag für die Zeitschrift „Publik-Forum“. Die schönste Nebensache seines Lebens dürfe nicht im krassen Widerspruch zu den Hauptsachen stehen, etwa zu Menschenrechten. Schneider will sich – wie auch die Bischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt – die Spiele nicht im Fernsehen ansehen.
Die Vergabe der Weltmeisterschaft nach Katar habe seine Toleranzgrenze überschritten, so der Theologe. „Ich will nicht verdrängen, dass Katar die Rechte von Frauen und Homosexuellen mit Füßen tritt.“ Zudem habe er „spirituelle Probleme“ damit, dass der Ewigkeitssonntag und die Adventszeit mit der Fußball-Weltmeisterschaft zusammenfallen. Er wolle aber kein Spielverderber für andere sein.
Die amtierende EKD-Ratsvorsitzende, Annette Kurschus, sprach laut einer Mitteilung der EKD wegen des Ewigkeitssonntags von einer „Unzeit“, zu der der Anpfiff zur Fußball-Weltmeisterschaft erfolge. „Es muss die Ausnahme bleiben“, mahnte sie. Der Ewigkeits- oder Totensonntag schenke Zeit, der Toten zu gedenken und sich zu vergewissern, was das Leben halte und trage.
Nordkirchen-Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), sie wünsche sich, dass alle, die die Fußball-WM verfolgten, sich ebenso intensiv für die Würde und die Rechte aller Menschen in Katar einsetzen. „Fußball-Fans sollten auch immer Menschenrechts-Fans sein“, sagte sie.
Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst schrieb am Freitag an die Kirchengemeinden, tote Arbeiter auf den Baustellen, Diskriminierung von Homosexuellen und Frauen sowie die systematische Ausbeutung von Wanderarbeitern seien inakzeptable Missstände, die keine echte Freude am Sport aufkommen ließen. Weder das Totengedenken noch der Advent als Zeit der Einkehr und Erwartung seien gut vereinbar mit Fußballjubel und Torseligkeit, sagte die Kirchenpräsidentin.
Ähnlich hatte sich die EKD in einem offenen Brief an den Präsidenten des Deutschen Fußballbundes (DFB), Bernd Neuendorf, geäußert, in dem sie auf Menschenrechtsverletzungen, die fehlende Pressefreiheit in Katar sowie auf die ökologische Belastung durch das Sportereignis hingewiesen hatte. Unterzeichnet hatten ihn die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus sowie der EKD-Sportbeauftragte, der amtierende rheinische Präses Thorsten Latzel. Die EKD startet in der kommenden Woche auf ihren Social-Media-Kanälen eine Videokampagne gegen „Sportswashing“.
Wegen des Verdachts auf Korruption bei der Vergabe und Menschenrechtsverletzungen beim Bau der WM-Stadien stehen die Fifa und das WM-Land Katar in der Kritik. Mehr als zwei Drittel der deutschen Bevölkerung wollen die Spiele der Nationalmannschaft nicht live im Fernsehen verfolgen. Bei einer Umfrage des Online-Befragungsunternehmens Civey für den „Spiegel“ gaben nur 18 Prozent an, die Spiele mit deutscher Beteiligung sehen zu wollen.
2 Antworten
Seine Argumente sind nachvollziehbar und zu respektieren. Ich denke, so geht es vielen.
Auch ich werde die WM nicht anschauen.
Als echter Fussballfan gehe ich lieber mit den Kindern auf dem Bolzplatz kicken, als mir die Show der überbezahlten Werbeträger im Fernsehen anzuschauen.