Volker Kauder hat am Mittwoch an der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen seine Antrittsvorlesung gehalten. Zwar sei die Menschenrechtscharta von 1948 gültig, die Religionsfreiheit als Menschenrecht definiere. Die Religionsfreiheit stehe jedoch weltweit unter Druck. Kauder betonte in seiner Vorlesung drei Punkte, die „zum Teil noch nicht erforscht“ seien.
Zum einen sei die Religionsfreiheit als universales Menschenrecht herausgefordert. China etwa werfe dem Westen kulturelle Überheblichkeit vor, wenn er Forderungen an die Volksrepublik erhebe, um die Situation religiöser Minderheiten zu verbessern. Afrika hingegen unterstelle dem Westen „Neokolonialismus“.
Zweitens ging Kauder auf die Frage der Identität ein. Selbst in Indien, das eigentlich eine Demokratie sei, gebe zunehmend der Hindu-Nationalismus den Ton an. „Daraus folgt: Nur ein Hindu sei ein guter Inder.“ Muslime oder Christen würden plötzlich nicht mehr dazu gehören. „Bis zum heutigen Tag sind die Christen vertrieben aus ihren Dörfern und sehen, wie Hindus ihre Felder bestellen.“ Die Kinder von Christen könnten nicht zur Schule gehen.
China diskriminiert Christen
Aber auch Europa habe in dieser Frage ein Problem. In Polen etwa seien nicht-christliche Flüchtlinge nicht willkommen. „Jesus würde heute den Satz sagen: Jeder Mensch ist Ebenbild Gottes und hat damit eine unverwechselbare, einzigartige Würde. Und das verbietet, Flüchtlinge wie Kartoffelsäcke zu behandeln.“ Nichtchristen als Flüchtlinge abzulehnen, widerspreche dem christlichen Glauben.
Auch in China wachse das Problem der Vermischung nationaler und ideologischer Identität. Die Kommunistische Partei sei gerade dabei, die Religionen zu „sinisieren“. Das gehe so weit, dass die Bibel im Sinne der kommunistischen Parteilinie umgeschrieben werde. Christen würden sich in den Untergrund verabschieden. Kirchenbesuche würden „nicht empfohlen“, Kinder dürften Kirchen gar nicht erst betreten. Für die Lebensführung würden Chinesen per Smartphone-Apps vom Staat mit einem Punktesystem bewertet. Christen hätten mit Nachteilen zu rechnen.
Trotzdem wachse die Zahl der Christen nirgends so schnell wie in China. „Es reicht nicht, dem Menschen in seiner Verfassung und seiner Identität, nach einer Ideologie zu leben. Er sehnt sich nach mehr, nach etwas, was über diese Welt hinausweist. Auf diese Frage haben wir als Christen doch eine Antwort“, sagte Kauder vor dem anwesenden FTH-Kollegium, Studierenden und Politikern.
Als letztes großes Problem weltweiter Religionsfreiheit nannte der neue Professor die Regionen in der Welt, wo der Staat die Autorität in Sachen Verbrechensbekämpfung verloren habe. Besonders Teile Afrikas seien betroffen. Während es Staatschefs unangenehm sei, als Christenverfolger zu gelten, sei es Terrororganisationen egal. „Da können wir im Westen ganz wenig unternehmen.“
Standardwerk zur Religionsfreiheit geplant
Kauder ging auch auf die Frage ein, ob es eine ethische Verpflichtung der Politik gebe, verfolgten religiösen Minderheiten auch militärisch zu helfen, um Schlimmeres zu verhindern. Er sei einmal von einem Journalisten gefragt worden, ob er nicht Schuld auf sich lade, wenn er Waffen in Kriegsgebiete liefern lasse. Er habe geantwortet „Es kann sein, dass ich Schuld auf mich geladen habe, aber die bespreche ich nicht mit Ihnen. Sondern mit Gott.“ Dort könne er um Vergebung bitten. Es sei einfach, sich in die Kirche in die erste Reihe zu setzen und dankbar zu beten, dass man nicht so schlimm sei wie „Volker Kauder, der Waffen in Kriegsgebiete liefere“.
Der langjährige Unions-Fraktionschef kündigte an, in zwei bis zweieinhalb Jahren ein „Standardwerk der FTH“ zum Thema Religionsfreiheit und Christenverfolgung zu veröffentlichen, an dem sich verschiedene Professoren beteiligen würden.
Die Studierenden ermutigte Kauder, sie würden als Theologen in der Gesellschaft gebraucht. „Es gibt mehr Menschen, als wir glauben, die sich jemanden wünschen, der gerade in dieser Situation, in der wir leben, Hoffnung und Zuversicht vermitteln kann.“ Es gehe nicht um Verbote und Gebote, sondern darum zu zeigen, was das Große und Ganze in dieser Welt ist. „Und das ist die Erlösungsgeschichte von Jesus Christus.“
Kauder zitierte 1. Korinther 15. Wenn Jesus nicht auferstanden wäre, wäre unser Glaube sinnlos. Bei allem was schlimm und schrecklich ist: „Wir haben keine Vision, sondern eine Gewissheit – und die sollten wir den Menschen auch vermitteln. Darauf warten die Menschen.“ Im Wettbewerb der Werte sollten Christen sich einbringen, denn andernfalls werde dieses Vakuum von anderen gefüllt. „Die Präsenz von Christen in der Öffentlichkeit ist zwingend erforderlich.“
Volker Kauder war zum 2. September vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst zum Honorarprofessor an der FTH berufen worden. Der CDU-Politiker war von 1990 bis 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2018 führte er zudem die Bundestagsfraktion von CDU und CSU. Sowohl in Bundestagsreden als auch auf Auslandsreisen hatte Kauder regelmäßig auf die Situation verfolgter Christen weltweit hingewiesen.
2 Antworten
Ich wünsche Prof. Volker Kauder gutes Gelingen und Gottes Segen in Gießen!
Ich wünsche Herrn Kauder, dass er die Kraft des Evangeliums erleben darf. Ich wünsche Ihm Mut, in unserer gottlosen Zeit, sich ganz auf die Seite unseres Herrn Jesus Christus zu stellen. Paulus warnt uns in 2.Tim.3,5: „sie haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie; und solche meide.“
Lieber Gruß, Martin Dobat