1.500 Gründe für Schuldgefühle

Es gibt unzählige Gründe, Schuldgefühle zu haben. Forscher haben nach einer Umfrage festgestellt: Religion spielt dabei offenbar kaum noch eine Rolle.
Von Jörn Schumacher

Der Psychologe Tobias Luck von der Fachhochschule Erfurt und die Psychologin Claudia Luck-Sikorski von SRH Hochschule für Gesundheit in Gera haben 900 Menschen in Deutschland gefragt, ob sie Schuldgefühle haben und wie die gegebenenfalls aussehen. Ein Jahr lang führten die Forscher online eine Befragung durch, am Ende gingen die Angaben von 604 Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 84 Jahren in die Auswertung ein.

Das Ergebnis, das sie im Fachjournal BMC Psychology veröffentlichten: 74 Prozent der Befragten gaben an, entweder Schuldgefühle in der Vergangenheit gehabt zu haben oder noch zu haben. Fast neun Prozent konnten dabei allerdings keine konkreten Gründe angeben. Die restlichen gaben im Durchschnitt 2,5 unterschiedliche Ursachen für ihr empfundenes Schuldgefühl an. Die Männer gaben dabei mit 2,2 Gründen etwas weniger an als Frauen (2,7 Gründe). Und Jüngere gaben mehr Ursachen an als Ältere.

Insgesamt erreichten die Forscher 1.515 Gründe für die Schuldgefühle der Befragten. Diese ordneten die Wissenschaftler unter 49 Kategorien ein. Ein Drittel (33 Prozent) der Personen gab nur einen Grund für ihre Schuldgefühle an. Weitere 28 Prozent gaben zwei Gründe an, und 16 Prozent drei. Vier oder mehr Gründe nannten 23 Prozent der Befragten. Die Forscher zogen als Fazit zum einen die Erkenntnis, dass es eine große Menge an möglichen Ursachen für Schuldgefühle gibt, sowie die Tatsache, dass die meisten Menschen diese Gründe konkret benennen können.

Am häufigsten (7,9 Prozent) wurde der Grund genannt „Lügen erzählen oder die Wahrheit zurückhalten“. Es folgte mit 6,7 Prozent „Nicht genügend Zeit mit der Familie verbracht zu haben oder für Familienmitglieder da gewesen zu sein“. An dritter Stelle gaben 4,2 Prozent der Menschen den Grund „Fehlverhalten anderen gegenüber oder schlecht über andere denken“ an. Ab 45 Jahre überwog das Schuldgefühl, nicht genug Zeit mit der Familie verbracht zu haben.

Nur selten wurden Gründe genannt (jeweils nur von 2,6 Prozent der Befragten) wie „Prokrastination“ (Verschwendung von Zeit mit etwas Sinnlosem) und ungesundes Verhalten. Ebenfalls selten wurde zudem Mitverantwortlichkeit an gesellschaftlichen, sozialen oder globalen Problemen genannt (2 Prozent).

Religiöse Schuldgefühle unterrepräsentiert

Zu einer wichtigen Erkenntnis der Studie gehört laut den Forschern, dass nur 0,4 Prozent der Gründe einen religiösen Hintergrund hatten. „Etwa ein explizites Schuldempfinden wegen Sünden oder Fehlverhalten in den Augen Gottes.“ Die Forscher schreiben: „Sicher sind manche der genannten Gründe für Schuldgefühle auf innere religiöse Normen zurückzuführen (etwa Fremdgehen, Stehlen, Lügen). Dennoch ist es überraschend, dass so wenig explizit religiöse Gefühle genannt wurden. Zumal Konzepte wie ‚Schuld‘ und ‚Sünde‘ ein integraler Bestandteil vieler religiöser Glaubenssysteme sind und viele Menschen in Deutschland Teile von religiösen Gemeinschaften sind (22,6 Millionen der Katholischen Kirche, 20,7 Millionen der Evangelischen Kirche, 95.000 Mitglieder der jüdischen Gemeinden und rund 4,4 Millionen Muslime).“

Männer gaben häufiger Gründe aus der Kategorie Verhalten gegenüber der Partnerin für Schuldgefühle an („Probleme in der Beziehung oder Ehe“, „Fremdgehen“ und „Scheidung oder Beenden der Beziehung“), nämlich 14 Prozent. Im Vergleich dazu nannten nur 8 Prozent der Frauen Gründe aus dieser Kategorie. Frauen gaben mehr Schuldgefühle gegenüber Kindern und anderen Familienmitgliedern sowie generell wegen missachteter Verantwortlichkeit gegenüber anderen Menschen an.

Bei den jüngeren Befragten (zwischen 18 und 29 Jahren) war mit 24 Prozent der häufigste Grund für Schuldgefühle „Verhalten anderen Menschen gegenüber“. Bei den Personen zwischen 45 und 59 nannten nur 16 Prozent als Grund „Fehlverhalten gegenüber Familienmitgliedern“ oder allgemein gegenüber Menschen (14 Prozent).

Luck und Luck-Sikorski merken an, dass die Personen bei Ihrer Online-Umfrage von sich aus frei Gründe für ihre Schuldgefühle nennen konnten. Dabei könnten längst nicht alle möglichen Gründe ins Gedächtnis gekommen sein. Es konnten so nur Schuldgefühle genannt werden, die den Personen tatsächlich selbst bewusst waren. Es sei jedoch bekannt, dass Gefühle, Wünsche und Motivationen oftmals auf unbewusst vorliegenden Gründen beruhen.

Wichtig sei die wissenschaftliche Untersuchung von Schuldempfinden allemal, so die Forscher. Schuldgefühle könnten durchaus auch positive Wirkungen haben, etwa wenn es um das soziale Verhalten von Menschen geht oder um den Wunsch, Fehlverhalten wieder gut zu machen. Doch: „Schuldgefühle sind normalerweise für jeden unangenehm und können sogar negative psychologische Folgen wie Depression haben“, schreiben die Psychologen. Ihre Studie solle daher für mehr Aufklärung bei diesen negativen Gefühlen sorgen.

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2 Antworten

  1. Leider haben auch vielen konservativ Gläubige anscheinend keine Schuldgefühle querren Menschen gegenüber, denn Ausgrenzung im Namen Jesus wegen Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orentierung entspricht nicht Gottes Willen.

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  2. Jesus Christus bietet uns an, alle Sorgen, alle Schuld(gefühle) auf IHN zu werfen. Und IHM zu vertrauen.
    An IHN zu glauben. ER sorgt für uns! Täten wir es doch nur, viel, viel öfter!

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