Meinung

Känguru legt sich mit Querdenkern an

Ist der Klimawandel nur eine große Lüge? Was für ein Pech, wenn wir uns umsonst um den Planeten gesorgt hätten! Der zweite Film auf Basis der Känguru-Saga nimmt unterhaltsam die Absurdität von Verschwörungstheorien aufs Korn.
Von Jonathan Steinert
Die Känguru-Verschwörung

Der Kleinkünstler Marc-Uwe und sein Känguru nehmen es im Film „Die Känguru-Verschwörung“ mit Leugnern des „menschengemachten Klimawandels“ und anderen Verschwörungstheoretikern auf. Wobei Marc-Uwe abstreiten würde, dass er „Klein“-Künstler und dass das Känguru seines sei („Es gehört sich quasi selbst“). Wer diesen Witz nicht gleich versteht, dem sei hier noch kurz der Hintergrund aus der Känguru-Chronik von Marc-Uwe Kling skizziert:

Darin zieht unvermittelt ein boxendes, kommunistisches, etwas vorlautes und selbstverliebtes Känguru bei einem etwas schnodderigen und im Leben wie im Beruf mäßig erfolgreichen Schriftsteller und Sänger namens Marc-Uwe ein. Gemeinsam erleben sie diverse Abenteuer, die besonders in der Konfrontation mit dem Kapitalismus, den Behörden, der Religion, der Politik und der Unterhaltungsindustrie bestehen.

Allein die Konstellation der beiden Figuren bietet allerhand Potential für kuriose bis groteske Situationen, die der Autor in kurzen, aber zusammenhängenden Episoden entfaltet – ausgeschmückt mit zahlreichen hintersinnigen Andeutungen, Verweisen und feinem Witz.

Der nunmehr zweite Känguru-Film greift Anekdoten aus den Büchern auf, erzählt aber eine eigene Geschichte. Nachdem das Känguru das erste Date Marc-Uwes mit seiner heißen Flamme (Rosalie Thomass) gründlich vermasselt, handeln sie einen Deal aus: Marias Mutter Liesbeth (Petra Kleinert) – Diesel-Liese – ist in der Szene der Klimawandel-Leugner aktiv. Wenn Marc-Uwe und das Känguru es schaffen, sie von ihren Ideen abzubringen, gibt es ein neues Date.

Jesus gegen Chuck Norris

Der Film, bei dem der Schauspieler Dimitrij Schaad den Kleinkünstler Marc-Uwe spielt und Marc-Uwe Kling erstmals selbst Regie führt, streift an vielen Stellen die Frage, was ist wahr, überzeugend und glaubhaft – und was nicht. Wenn Satire darin besteht, Absurditäten zu überspitzen und damit ins Lächerliche zu drehen, um auf ihre Absurdität hinzuweisen, dann gelingt das dem Film sehr gut.

Da sind die Fans von Diesel-Liesel, die plötzlich an die Theorie glauben, die Erde sei ein Würfel (statt eine Scheibe). Oder der charismatische Adam Krieger mit seiner sonoren Stimme (großartig: Benno Führmann), der als Guru der Verschwörungstheoretiker für „Wahrheitsliebe.info“ wirbt – das Datingportal für Querdenker – und der keine Aussage trifft, ohne ein „eventuell, möglicherweise, vielleicht, unter Umständen“ vorwegzuschieben.

Und da ist schließlich die „Concon“-Konferenz „Willkommen zur Wahrheit“, bei der sich Verschwörungstheoretiker aller Coleur tummeln: Reichsbürger, Anhänger der Flache-Erde- und der Würfel-Erde-Theorie, Impfgegner, Zweifler am Terroranschlag 9/11 und Leute, die an Reptiloiden und Chemtrails glauben.

Auf diesem Kongress findet dann auch der große Showdown im Schnick-Schnack-Schnuck-Duell statt – auch das ein wiederkehrendes Element der Känguru-Saga – hier aber mit der Besonderheit, dass außer Schere, Stein und Papier auch alles andere gezeigt werden kann und der Sieger ausdiskutiert wird. Und so kommt es, dass zwei der Duellanten Jesus Christus gegen Chuck Norris setzen.

Das Anliegen ist etwas zu offensichtlich

Die Frage nach dem Wahren berührt der Film aber auch auf subtilere Weise, etwa als das Känguru einen Drogen-Trip erlebt, in dem seine schlimmsten Vorurteile über Verschwörungstheoretiker wahr werden. Und sind die Erlebnisse der Figuren am Ende selbst wahr oder nur ein Film im Film? Es sind die Andeutungen, die indirekten Hinweise, die Widersprüche, die überraschenden Wendungen und geschliffenen Wortgefechte, die sehr viel zum Witz und um Tiefgang der Känguru-Saga beitragen.

In diesem Film kommen sie ebenfalls vor und sind ganz wunderbar. Aber sie tragen ihn nicht so, wie das in den Büchern gelingt, und manchmal stehen sie auch etwas im Schatten flacherer Pointen. Auch die Selbstironie, die der Ich-Erzähler in den Büchern an den Tag legt, kommt im Film nicht so zur Geltung.

Man merkt dem Film sein Anliegen vielleicht etwas zu deutlich an. Er schafft es aber durchaus unterhaltsam und lustig, die Maschen der Verschwörungs-Szene zu entlarven, ihre Kommunikation und ihren Anspruch, im Besitz der Wahrheit zu sein. Und was hier als Verschwörungs-Erzählung auftaucht, kann mit gutem Gewissen so genannt werden: Der Film ist nicht so platt, sämtliche Kritik „am System“ oder an politischen Entscheidungen wie den Corona-Maßnahmen mit dem Verschwörungs-Etikett zu versehen. Schließlich ist das Känguru ja selbst ein Systemkritiker.

Es geht vielmehr im Kern um die Frage, warum Menschen welcher Weltdeutung glauben, wie sie mit Fakten umgehen und sie interpretieren – und ob sich darüber mit sachlichen Argumenten streiten lässt.

Marc-Uwe Kling (Regie und Buch (mit Jan Cronauer)): „Die Känguru-Verschwörung“, X Verleih, 102 Minuten, FSK 6, ab 25. August im Kino

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4 Antworten

  1. Ich empfehle den Film „Das Leben des Brian“. Eine bitterböse Parodie auf die Evolutions- und Wissenschaftsleugner.

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    1. Kann den Film auch sehr empfehlen, aber wo gibt’s denn da Anspielungen auf Evolutions- und Wissenschaftsleugner (nicht dass die es nicht immer verdient hätten…)? Da muss ich den doch mal wieder anschauen…

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      1. Evolutions- und Wissenschaftsleugner sind Menschen, die daran glauben, dass der Mensch von einem unsichtbaren, übernatürlichen Wesens names „Gott“ erschaffen wurden und nicht das Ergebnis der Evolution ist. Ebenso leugnen sie, dass unser Universum und der Planet Erde durch den Urknall entstanden sind. Auch hierfür ist angeblich das unsichtbare Wesen verantwortlich.
        Sie leugnen damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 2000 Jahre.
        Der Film handelt von solchen Menschen, die in dem normalen Menschen Brian einen Propheten des unsichbaren Wesens erkennen zu glauben. Auch nachdem Brian öffentlich kundgetan hat, dass er nur ein normaler Mensch ist, wollen seine „Anhänger“ nichts davon wissen und lassen sich nicht von ihrer irrigen Annahme abbringen.

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  2. Köstlich!
    Da ich nicht ins Kino kann, werde ich mir demnächst die DVD kaufen.

    (Im übrigen erinnert mich das an ein Gespräch, wo meinereiner vor einigen Jahren als „Verschwörungstheoretiker“ und „Spinner“ bezeichnet wurde.
    Damals ging es um mögliche Datenabgriffe personenbezogener Daten von Smartphones.)

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