Spielen und Beten im Metaverse: Gottesdienst in Minecraft

Die Bibelanstalt Canstein Berlin hat am Sonntag wieder zu einem Gottesdienst im Computerspiel Minecraft eingeladen. Dabei geht es nicht nur ums Spielen, sondern auch um das Evangelium, sagt Pfarrer Andreas Erdmann.
Von Jörn Schumacher

Ein Gewusel aus digitalen Figuren, sogenannten Avataren, steht in der Kirche herum und wartet auf den Beginn des Gottesdienstes. Rund zwei Dutzend Menschen haben sich über das Internet eingeloggt, um in der Computerwelt des beliebten Spiels Minecraft zusammen zu feiern.

Dann geht es los.

„Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“, sagt ein Avatar im dunklen Talar. Es ist die Minecraft-Version von Andreas Erdmann, Pfarrer für Kirche im Digitalen Raum. Bis zu viermal im Jahr bietet die Bibelanstalt Canstein Berlin Minecraft-Gottesdienste an, zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und als „Sommer Event“ auch in der Hauptferienzeit. So wie auch am vergangenen Sonntag.

Minecraft ist eines der erfolgreichsten Computerspiele aller Zeiten. Von einem schwedischen Programmierer 2010 entwickelt, in sehr einfacher Grafik gehalten, zog es immer mehr Spieler an. Heute sitzen monatlich über 140 Millionen Menschen weltweit davor. Mit mehr als 238 Millionen verkauften Exemplaren ist es das meistverkaufte Computerspiel aller Zeiten.

Der Reiz liegt dabei eindeutig nicht an einer tollen Computergrafik, die ist hier eher schlicht, und die Welt besteht nur aus groben Pixel-Klötzen. Doch diese Klötze haben es in sich: Die Kreativität der Spieler ist gefragt, denn in Minecraft kann der Spieler völlig frei praktisch alle Dinge aus den würfelförmigen Elementen selber bauen.

Trauung in der virtuellen Welt

Zu Beginn des Minecraft-Gottesdienstes treffen sich alle Teilnehmer in Form ihrer Avatare in der digital aufgebauten Kirche. Es gibt Gebete wie das Vaterunser, Gesang und Fürbitten wie in einem normalen Gottesdienst. „Einer vorgetragenen Predigt würden aber die wenigsten länger zuhören“, weiß der 41-jährige Pfarrer.

Da kommt die Stärke des Spiels Minecraft zur Geltung. Der Pastor geht mit den Teilnehmern in die zuvor programmierte Online-Welt und entdeckt spielerisch den Inhalt der Predigt. Da reiten die Gottesdienstteilnehmer schon mal auf Eseln und Kamelen durch die Wüste oder bringen dem Jesuskind in der Krippe Geschenke. Nach diesem Verkündigungsteil gehen alle wieder zurück in die Kirche, erklärt Erdmann. Gebetsteil, Lied und Segen folgen.

Er sei mit Ausbruch der Corona-Pandemie als Landes-Online-Pfarrer der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz tätig gewesen, sagt Erdmann. Doch die Stelle wurde nach einem Jahr wieder gestrichen.

Foto: PRO
Digitale Kathedrale: Gottesdienst bei Minecraft.

Für den Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf ist Erdmann nun als Pfarrer im Digitalen Raum tätig. Er berät Gemeinden in der Handhabung der digitalen Welt, in Social Media und der digitalen Verwaltung. Auch unabhängig von Minecraft bietet der Pastor regelmäßig Online-Gottesdienste an. Einmal wollte sich ein Paar von ihm innerhalb des Online-Rollenspiels „World of Warcraft“ trauen lassen. „Die wollten danach auch keine andere Trauung mehr“, erzählt Erdmann. „Übrigens sind sie noch immer verheiratet.“

So kam die Idee auf, auch für Gamer Gottesdienste anzubieten. „Da ist Kirche noch immer sehr wenig vertreten.“ Unter dem Namen „Eclesia Digitale“ entwickelt Erdmann selbst ein Online-Rollenspiel, in dem es um Kirche und Glauben geht. Viele Ehrenamtliche helfen bei der Programmierung der virtuellen Welt mit. „Da arbeiten Protestanten, Katholiken und Freikirchler mit“, sagt Erdmann, für den schon der gemeinsame Bau des Spiels „Gemeinschaft auf dem Weg“ ist.

Auch in Mincecraft bauen vor dem Gottesdienst viele Ehrenamtliche eine Welt auf, in der die Besucher dann auf Entdeckungsreise gehen können. Am Sonntag war das Thema – passend zur Urlaubszeit: „Unterwegs mit Gott. Mit Paulus auf Reisen“. Die Gottesdienstteilnehmer mussten gemeinsam an einem Schiff bauen, wie Paulus gefährliche Situationen mit Hilfe des Heiligen Geistes überstehen, und nach dem Stress durften die Spieler eine Runde Schiffeversenken zocken.

„Online-Gottesdienste sind automatisch missionarisch“

Die Bibelanstalt Canstein in Berlin veranstaltet die Minecraft-Gottesdienste und stellt den Server dafür zur Verfügung. Wer das Spiel selbst nicht installiert hat, kann den Gottesdienst als Live-Videostream mitverfolgen. Die Bibelanstalt brachte 2017 die „Lego-Bibel“ heraus, für die viele Schüler im Religionsunterricht das Lukasevangelium mit Lego nachstellten und die Szenen abfotografierten.

Einen anderen Vorteil dieser Arbeit erklärt Erdmann so: „Der digitale Raum ist per se ja nicht durch die Grenzen der Kirchenkreise eingeschränkt. Wenn ich Events durchführe, ist immer klar, dass da auch andere Menschen mit dabei sind. Dadurch wird der Dienst nicht nur automatisch ökumenisch, sondern auch missionarisch, ohne dass ich das explizit sein will. Denn durch das Spiel werden viele angezogen, die dann mit Kirche in Kontakt kommen.“

Am Sonntag waren rund zwei Dutzend Teilnehmer dabei. Zu anderen Zeiten der Pandemie gab es aber auch schon Gottesdienste mit 500 Teilnehmern und mehr, sagt Erdmann. Immer wieder kämen Teilnehmer anschließend auf den Pfarrer zu und wollten ihm einige Fragen zum Glauben stellen. „Kirche hat schon immer in den verschiedenen Medien interagiert. Erst in der Zeitung und im Radio, dann im Internet, jetzt im Gaming-Bereich“, ist Erdmann von den Vorzügen der Kirche im Metaverse überzeugt.

Immer wieder sprächen ihn Leute kritisch auf die Arbeit und fragten beispielsweise: „Lohnt sich das überhaupt? Treten die Leute denn dann anschließend auch in eine echte Kirche ein?“ Erdmann erwidert: „Darauf kommt es gar nicht an. Wir haben den Auftrag, das Evangelium zu verkünden! Schon immer.“

Den nächsten großen Minecraft-Gottesdienst der Cansteiner Bibelanstalt soll es im Dezember am 4. Advent geben.

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8 Antworten

  1. Mal kurz überlegen:

    Wer ist der „Eigentümer“ von „Metaverse“ (sofern man „Eigentum“ bzw. „Besitz“ sprechen kann)?

    Wie ist das Geschäftsmodell von „Metaverse“?

    Wenn „Kirche“ „dort“ stattfindet und es im realen Leben immer weniger „Kirche“ gibt (manchmal nur 1-2mal/Monat, weil die Prediger/ Seelsorger/ Pfarrer/ Pastoren „vor Ort“ fehlen):
    Wer von „Kirche“ ist dann – im realen Leben – für die Menschen da?
    Oder: Findet dann „Leben“ nur noch im „Metaverse“ statt?

    Mal weiterüberlegen – nur rein hypothetisch:

    Lt. dem Statistischen Bundesamt starben 2020 in Deutschland 25 Personen pro Tag:

    https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/Tabellen/suizide.html

    Könnte an der Stelle „Kirche“ im Metaverse – wie auch immer – einer ihrer eigentlichen Aufgaben (=Seelsorge) wahrnehmen?
    Oder wäre da reale „Kirche vor Ort“ die eigentliche, bessere Wahl?

    Quo vadis?

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    1. Dem Link nach zu urteilen beziehst du dich nur auf Suizide?

      Ich denke, es kann eine Ergänzung sein, sollte aber nicht die Kirche vor Ort ersetzen. Aber das ist bei vier Gottesdiensten im Jahr hoffentlich sowieso nicht das Ziel …

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      1. „Dem Link nach zu urteilen beziehst du dich nur auf Suizide?“

        Nicht nur – das war nur ein Beispiel, zu dem ich einen Beleg hatte.

        An andere, besonders die einsamen Menschen (gerade in Pandemie-Zeiten) denke ich natürlich auch.

        Die Pastoren „vor Ort“ werden immer weniger – die noch da sind haben immer weniger Zeit: Schauen schon nach 10 Minuten auf die Uhr, weil sie weitere Termine haben…

        Das das kommerzielle(!) Metaverse als Alternative zu einer Kirchenkirchengemeinde gesehen wird: Davor habe ich sehr große Bedenken.

        Ich selbst bin gar der Meinung, ob ich selbst nicht noch einen Schritt „zurückgehe“ und , z.B., anstatt grafikdarstellende Browser (wie Chromium, Firefox etc.) nur noch Textbrowser die reines html verarbeiten, nutze: Alle Webseiten, die nicht entsprechend sauber programmiert wurden können dann nicht dargestellt werden und werden automatisch blockiert.

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  2. Zum Metaverse: Ich glaube, die Unterscheidung ist gar nicht mehr zeitgemäß. Kirche ist in unterschiedlichen Medien präsent: Vor Ort, dann durch Briefe (das Medium nutzte Paulus schon fleißig), in anderen Printmedien, dann auch im Radio, Fernsehen und eben auch online. Das ist kein eigenes Zniversum neben dem anderen, sondern das sind einfach verschiedenen Kommunikationswege der einen Welt, in der wir leben. Von der Kirche vor Ort wird bei dieser Zielgruppe meiner Erfahrung nach auch niemand abgezogen, aber es werde neue Menschen erreicht, die sich sonst nicht angesprochen fühlen.

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  3. zur Seelsorge: tatsächlich sind gerade Jugendliche und junge Erwachsene dankbare Nutzer von Online-Seelsorge-Angebote wie schreibenstattschweigen.de, wo sie anonym Beratung und Seelsorge erfahren (gerade nach den vielen Missbrauchsaufarbeitungen in der Kirche in den Medien dieser Tage).

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    1. Online-Angebote sind auch kein Problem – solange eben keine Seelsorge drüber läuft.

      Die kann – allerhöchstens – via Festnetztelefon laufen.
      Das sollte jedem ernsthaften Seelsorger klar sein.

      Die offiziellen Nummern:

      0800/ 111 0 111

      0800/ 111 0 222

      Ich bin sogar der Meinung:
      Zusätzlich ist jeder Pastor/ Pfarrer, dessen Telefonnummer auf einer Webseite einer Kirche bzw. Kirchengemeinde gelistet ist, auf Basis seiner Ordination, zur Seelsorge verpflichtet.

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  4. Die Vorgänge, zu denen Fr. M. Käßmann Stellung bezieht:
    https://www.evangelisch.de/inhalte/204444/10-08-2022/kaessmann-warnt-vor-zerstoererischem-hass-sozialen-netzwerken
    Das ist die Wirklichkeit.

    Das, was in der realen Welt geschah:
    Wer sagt, das solches nicht auch (zuerst) in der digitalen Metaverse-Kunstwelt geschehen kann?
    Und dann in der realen Welt zur Wirklichkeit wird?

    Für mich ist die „reale“ Welt – so, wie sie sich jetzt mit ihren Krisen seit Anfang 2020 darstellt – Bedrohung genug.
    Muß man dann noch ein „Metaversum“ erschaffen, welches einem eine „schöne, heile“ Welt vorgauckelt?
    Welche aber eigentlich nichts weiter als eine Weiterentwicklung eines „Sozialen Netzwerkes“ ist, welches (lt. der ehemaligen Mitarbeiterin Frances Haugen) „Blut an den Händen“ hat:
    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/frances-haugen-facebook-meta-101.html

    Hmm – wenn ich das weiß: Kann ich dem „Metaversum“ (in dem „Kirche“ Gottesdienste feiert) Vertrauen entgegen bringen?

    Ich empfinde „Soziale Netzwerke“, welche auf zweifelhafte/ unmoralische Geschäftsmodelle aufgebaut sind, eine Gefahr.

    Andererseits:
    Vielleicht sollte gerade dann auch „Kirche“ „dort“ sein.
    Doch: Was kann „Kirche“ dort tun?

    Deshalb nochmals meine Frage:

    Quo vadis, Kirche?

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  5. Im Quellcode einer uns hier bekannten Webseite findet sich
    in Zeile 42 ein Nachlade-Aufruf einer CSS-Datei vom Server cdnjs.cloudflare.com
    und in Zeile 512 ein Nachlade-Aufruf eines Javascript vom Server userlike-cdn-widgets.s3-eu-west-1.amazonaws.com

    Dazu Fragen:

    1. In welchem Land befinden sich die o.g. Server?

    2. Zitat-Auszug:
    „Wir verpflichten uns, unter den aktuellen Gegebenheiten massenhafter Abhörung und Auswertung von digitaler Kommunikation auch die kirchlichen Seelsorgeangebote kritisch zu prüfen: Wie können wir Seelsorge- und Beichtgeheimnis schützen?“
    ( s.: https://www.ekd.de/synode2014/beschluesse/beschluss_kundgebung.html )

    3. Können IP-Adressen (IPV4 bzw. IPV6) personenbezogene Daten sein?

    4. Werden IP-Adressen von den Betreibern/ den Staatsorganen im Land der o.g. Server protokolliert, ausgewertet und weiterverarbeitet?

    5. Ist es wirklich richtig, wenn „Kirche“ externe Dienstleistungen von Servern bezieht, deren Kontrolle NICHT im Rechtsraum der DSGVO bzw. des Kirchenrechtes liegt?

    6. Um zum Thema zurückzukommen:

    – Welche Server werden bei „Metaverse“ genutzt?

    – Wo befinden sich die Standorte der Server?

    – Wenn das Gottesdienste im Sinne der geltenden Kirchenordnung sind: Gilt dann (auch) das Kirchenrecht?

    – Wie ist das Geschäftsmodell von “Metaverse”?

    Ich weiß:
    Provokante Fragen, dessen Antworten durchaus auch das Gefühl der Ratlosigkeit, Ungehaltenheit, Wut usw. auslösen können.
    Ich erinnere deshalb an die o.a. Frage Nr. 2, welche Grundlage dieser Fragen ist.

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