Fast wie aus heiterem Himmel brach in jener Nacht ein Massaker über die Protestanten Frankreichs, die Hugenotten, herein.
Zwar hatte sich in den Jahren zuvor eine enorme Spannung zwischen der katholischen Regierung und den Anhängern des neuen Protestantismus aufgebaut, aber ebenso gab es immer wieder erfolgreiche Versuche, den Konflikt beizulegen.
Doch in der Bartholomäusnacht im Jahre 1572 brachen sich eine Anspannung und ein Hass Bahn, bei dem Tausende Protestanten erst in Paris und dann im restlichen Frankreich brutal niedergemetzelt wurden. Wegen der Verfolgung flohen viele Hugenotten in andere Länder, unter anderem nach Deutschland – noch heute erinnern französisch klingende Namen hierzulande an die Vorfahren, die damals wegen ihres Glaubens verfolgt wurden.
Der Glaube dieser bewusst nicht-katholischen Christen geht zurück auf den Reformator Johannes Calvin, der als Student mit der Lehre Martin Luthers in Berührung kam und diese radikalisierte. Die Moralvorstellungen Calvins verboten weltliche Vergnügungen wie Kartenspiel, Tanz oder Musik.
Der französische König sah in den Protestanten eine Gefahr im Land, weil sie die Idee einer Republik vorantreiben und dadurch zur Gefahr für die Monarchie werden könnten. In der Tat versuchten Hugenotten den katholischen König abzusetzen und etwa den Hugenotten Louis I. de Bourbon auf den Thron zu setzen. Außenpolitisch stand Frankreich bereits im ständigen Konflikt mit Spanien, Österreich und dem Heiligen Römischen Reich, daher bestand ein Interesse daran, die aufkommende neue Religion unter Kontrolle zu halten.
Von kleinen Gespenstern zur großen Gefahr für die Republik
Wer dem protestantischen Glauben nicht abschwor und zum Katholizismus konvertierte, erfuhr Gewalt und Willkür. Männern drohte die Galeere, Frauen die Umerziehung im Kloster. Berühmt wurde Marie Durand, die 38 Jahre im Gefängnis war und ihren Glauben nicht aufgab. Der Begriff Hugenotte kam übrigens so zustande: In der französischen Stadt Tours soll nachts ein König namens Hugo als Gespenst umhergegangen sein. Und weil die Hugenotten sich damals nachts trafen, hat man sie als ‚kleine Hugos‘ bezeichnet. Diese Benennung habe Hugenotten diffamieren sollen.
Auch die umliegenden Länder griffen in den Konflikt innerhalb Frankreichs ein, indem sie entweder die katholische Krone oder die protestantischen Aufständischen unterstützen, allen voran Spanien, die Niederlande und Deutschland. So kam es zu insgesamt acht Hugenottenkriegen.
Am 8. August 1570 wurde zwar der Frieden zu Saint-Germain geschlossen, der den Hugenotten in ihrer Forderung nach Glaubensfreiheit und Duldung entgegenkam; ihnen wurde offiziell die bürgerliche und religiöse Gleichberechtigung zugesagt. Doch nur zwei Jahre später sorgte das Massaker der Bartholomäusnacht dafür, dass die Feindseligkeiten zwischen beiden Seiten erneut aufflammten.
Eine Hochzeit, die zur Todesfalle wurde
Am 18. August 1572 fand in Paris die Hochzeit zwischen der französischen, katholischen Prinzessin Margarete von Valois und Heinrich III von Navarra. statt. Sie sollte die Freundschaft zwischen Frankreich und Spanien besiegeln. Wegen der Feierlichkeiten hielten sich viele Hugenottenführer zu jener Zeit in der Stadt auf.
Einer der Anführer der Hugenotten war der Admiral Gaspard de Coligny, seit 1561 öffentlich bekennender Protestant, unterstützt unter anderem aus den Niederlanden. Bereits am 22. August 1572, ein Tag vor der Bartholomäusnacht, wurde in Paris ein Anschlag auf Coligny verübt, der jedoch fehlschlug. Die Auftraggeber konnten nie identifiziert werden. Danach herrschte Aufruhr in der Stadt. Viele nahmen an, die Hugenotten könnten nun einen Vergeltungsschlag verüben. Der König erklärte am Tag darauf, Hugenotten planten offenbar eine Verschwörung sowie einen Aufstand gegen ihn und den Staat, und er ließ Wachen in der Innenstadt aufstellen. Eine Truppe der Schweizergarde des Königs ermordete den Admiral schließlich in seinem Haus sowie weitere Hugenottenführer. Ein angeblicher Befehl zur Massenexekution der Hugenotten machte die Runde.
Insgesamt wurden in jener Nacht vom 23. auf den 24. August 1572 in Paris sowie an den Tagen danach rund 3.000 Menschen ermordet, davon waren die meisten Hugenotten. Ein Straßburger Bürger sagte später: „Da setzte überall in Paris ein Gemetzel ein, dass es bald keine Gasse mehr gab, auch die allerkleinste nicht, wo nicht einer den Tod fand, und das Blut floss über die Straßen, als habe es stark geregnet“ und „Schon war der Fluss mit Leichen bedeckt und ganz rot vom Blut.“
Da der 24. August im Kirchenjahr ein Gedenktag für den Apostel Bartholomäus ist, heißt der Tag Bartholomäustag und somit das Massaker „Bartholomäusnacht“. Das Ereignis wird auch „Pariser Bluthochzeit“ genannt.
Historiker sind sich darin einige, dass das Massaker sowie die darauf folgenden Progrome gegen die Protestanten kein von oben kontrollierter Gewaltakt war, sondern eher das Ergebnis einer jahrelang aufgestauten Frustration in der Bevölkerung.
Für den Protestantismus in Europa bedeutete die Bartholomäusnacht einen herben Rückschlag. Die Bewegung verlor einen großen Teil ihrer politischen Führer. Die Religionskämpfe in Frankreich gingen danach weiter, bis den Hugenotten 1598 vom französischen König Heinrich IV. im Edikt von Nantes Rechtssicherheit garantiert wurde – diese Sonderrechte wurden allerdings im 17. Jahrhundert unter dem Einfluss des Kardinals Richelieu wieder aufgehoben.
Man geht von ungefähr 200.000 Hugenotten aus, die zu jener Zeit aus Frankreich in Nachbarländer und in alle Welt flohen. Zu den Zielen der flüchtenden Hugenotten gehörten neben den Niederlanden England, Irland, die Schweiz und später Amerika und Südafrika. In Deutschland siedelten viele in Hessen, Niedersachsen, in den Hansestädten und vor allem in Brandenburg-Preußen.
In diesen Ländern nahm man die Einwanderer gerne auf, sie wurden von den Fürsten geradezu umworben. Die Hugenotten galten als versierte Handwerker und brachten neue Kenntnisse ins Land. So galt plötzlich alles, was französisch war, als chic.
Knapp 20.000 Hugenotten folgten der Einladung von Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg. Damit festigte der calvinistische Kurfürst seine Position gegenüber der lutherischen Bevölkerung. Nachfahren der Hugenotten wie Theodor Fontane, Carl Benz oder Paul Wallot haben Deutschland geprägt. Viele in Deutschland auftretende Nachnamen wie de Maizière, Lafontaine, Bouffier, Dumont oder Godeffroy lassen sich darauf zurückführen.
Der französisch-italienisch-deutsche Spielfilm „Die Bartholomäusnacht“ aus dem Jahr 1994 des französischen Regisseurs Patrice Chéreau zeichnet die Ereignisse jener Nacht nach. Das Monumentalwerk basiert auf dem bekannten Roman des französischen Schriftstellers Alexandre Dumas.
Im Jahr 2019 strahlte der Fernsehsender Arte eine Dokumentation über die Hugenotten aus. Die zweiteilige Dokumentation „Flucht im Namen Gottes“ erzählt mehrere wahre Geschichten von Betroffenen nach, die wegen der religiösen Verfolgung ins Ausland flohen.
3 Antworten
Sehr zu empfehlen
https://www.hugenottenmuseum.de/
Mit Interesse habe ich den historischen Artikel gelesen. Vor Jahrzehnten las ich die beiden Romane von Heinrich Mann „Die Jugend des Königs Henri Quatre“ und „Die Vollendung des Königs Henri Quatre“. Beeindruckend! Danach verfolgte ich immer wieder mal Artikel über die Geschichte der Hugenotten.
Einen Hinweis zu dem obigen Artikel muss ich geben:
Prinzessin Margarete von Vallois hat nicht den spanischen König Phillip II. geheiratet, sondern den hugenottischen König Heinrich III. von Navarra, ab 2. August 1589 König Heinrich IV. von Frankreich.
Um den Frieden von Saint-Germain zu besiegeln.
König Phillip II. hugenottischen Glauben zuzuordnen, wäre ein Widerspruch angesichts der Glaubenskämpfe zwischen der calvinistischen Niederlande und des katholischen Spanien.
Auf den substantiellen Fehler habe ich auch schon hingewiesen, aber mein Kommentar wurde rausgefiltert.