Glück und Glaube: Geht das zusammen? Während sich in den Buchhandlungen mehr oder weniger seriöse Glücksratgeber stapeln, fristet das Glück in Glaubensgesprächen ein kümmerliches Dasein. Kein Wunder. Für den Volksmund gehören „viel Glück und viel Segen“ selbstverständlich zusammen; die Bibel hingegen ist mit Aussagen über das Glück sparsam. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bezeichnet „Frömmigkeit und Glück“ nun als „Geschwister“. In einem Buch hat er die Forschungsergebnisse von Glücksforschern mit dem christlichen Glauben in Beziehung gesetzt – und erkennt erstaunliche Parallelen. Uwe Birnstein sprach mit dem Theologen.
PRO: Was ist Glück?
Heinrich Bedford-Strohm: Darüber diskutieren Philosophen und Glücksforscher. Für mich besteht der Kern des Glücks aus dem tiefen Gefühl der Einheit mit mir selbst und mit Gott.
Ist Glück ein Moment oder ein Dauerzustand?
Es gibt beides: Glück als eine momentane Glückserfahrung und Glück als anhaltende Ganzheitserfahrung. Dazu würde ich zum Bespiel das Glück zählen, das zwischen zwei Menschen in einer langen Ehe wächst. Mich berühren immer ganz besonders die Briefe, die mir Paare nach ihrer Goldenen oder Eisernen Hochzeit schreiben, in denen sie zum Ausdruck bringen: Ihr Glück ist gewachsen, weil sie eine tiefe Vertrautheit haben. Weil sie durch schwere Zeiten wie durch gute Zeiten gegangen sind und weil sie das immer mehr zusammengebracht hat. Die tiefe Dankbarkeit dafür löst großes Glück aus.
Wie gehören Frömmigkeit und Glück zusammen?
Über die Dankbarkeit. Nehmen Sie Psalm 139,14: „Ich danke dir, Gott, dass ich wunderbar gemacht bin!“ Wenn ich das Gott gegenüber zum Ausdruck bringen kann, werde ich ein glücklicherer Mensch, weil ich überhaupt erst wahrnehme, wie viel Reichtum in meinem Leben ist. Es ist nicht selbstverständlich, was man jeden Tag einfach für selbstverständlich nimmt.
Auch viele Kirchenlieder beschreiben Glückmomente. Zum Beispiel „Geh aus mein Herz und suche Freud“. Da heißt es im letzten Vers: „Ich selber kann und mag nicht ruh’n, des großen Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinnen. Ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen.“ Das ist für mich ein Beispiel dafür, wie man geradezu enthusiastisch angesichts dieser wunderbaren von Gott geschaffenen Natur reden und singen kann. Und dabei eben eine tiefe Glückserfahrung macht.
Dann könnte man das Gesangbuch und die Bibel als eine Art Glücksratgeber verstehen?
Nicht so wie die Glücks-Bücher, die in den Buchhandlungen stehen. Die Bibel gibt ja keine „10 Tipps auf dem Weg zum Glück“ und liefert keine Methoden zur Produktion von Glückshormonen. Glücksratgeber haben auch was Gutes. Mit Tipps wie „Glücks-Tagebuch-schreiben“ lenken sie die Aufmerksamkeit auf das, was man viel zu oft für selbstverständlich hält. Viel tiefer geht aber das, worüber die biblischen Texte reden. Das erreicht einen in der Seele. Wenn ich mit biblischen Texten lebe, die dieses Glück in meine Seele hineinpflanzen, dann ist das etwas Tiefgehendes. Frömmigkeit heißt ja, dass ich das in meine Seele hineinlasse, was mein Leben trägt. Dazu gehört Dankbarkeit. Wenn ich mit biblischen Texten lebe, dann ist es etwas, was ich nicht zweckorientiert einsetze, um glücklich zu werden. Sondern es ist eine Haltung, die mich in meiner ganzen Existenz prägt.
Wäre Ihr ultimativer Tipp zum Glücklichwerden: „Werde fromm, lies die Bibel!“?
Frömmigkeit ist nie einfach Mittel zum Zweck. „Werde fromm, dann wirst du glücklich!“ Das wäre ein Missverständnis. Was man schon sagen kann: Frömmigkeit stärkt die Lebensfreude und verwurzelt sie in mir. Das finde ich wichtig. Denn manchmal werden Religion und Frömmigkeit als etwas Aufgesetztes empfunden oder gar mit Negativem in Verbindung gebracht, etwa mit einem moralistischen Verständnis von Sünde. Schade, denn Frömmigkeit ist eine Quelle für Glück!
Wenn das so ist, könnten die Kirchen Glücksbringer sein.
Nicht in dem Sinne: „Wer jetzt glaubt oder Mitglied der Kirche ist, dem wird es gut gehen und der wird ganz viel Glück haben.“ Das wäre Unsinn. Es gibt ja auch religiöse Strömungen wie das „Wohlstandsevangelium“ etwa in den USA, die solche Lehren verbreiten. So einfach ist es nicht. Aber religiöse Traditionen können helfen, dass ich mir die tiefsten Lebensquellen, die ich mir vorstellen kann, innerlich erschließe. Insofern gibt es da schon eine gewisse Geschwisterschaft zwischen dem Glauben und der Frömmigkeit und dem Glück.
„Heinrich Bedford-Strohm: Frömmigkeit und Glück“, 128 Seiten, Claudius Verlag München, 14 Euro, 9783532628713
Darf man in diesen Zeiten, in denen so viel Unglück herrscht, über Glück reden?
Auf jeden Fall. Das Besondere gerade an den biblischen Traditionen ist, dass Glück nicht nur Happiness ist in dem Sinne, dass der Himmel immer blau ist. Glück ist gerade dann besonders tief, wenn es auch durch schwere Zeiten hindurchführt. Und da geben die biblischen Texte faszinierende Hinweise. In den Seligpreisungen Jesu etwa heißt es: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.“ Das Wort „selig“ ist eine Übersetzung des griechischen Wortes „makarios“. Das kann man auch mit „glücklich“ übersetzen. Der Begriff „Glückseligkeit“ zeigt diesen Zusammenhang.
Mich berührt es immer ganz besonders, wenn Menschen mir erzählen, wie sie durch harte Zeiten gegangen sind und dann im Rückblick sagen. „Ich bin da durchgeführt worden.“ In den Psalmen kommen Menschen voller Verzweiflung zu Wort, die dann von Gott wieder aus dem Tal herausgeführt werden. Diese Erfahrung zeigt: Glück kann in einem ganz tiefen Sinne auch das Leid miteinschließen. Nicht im Sinne eines Masochismus, dass man das Leid plötzlich zur Quelle von Glück erklärt – sondern so, dass ich weiß: Auch in den tiefsten Tälern bin ich eben nicht verloren, sondern da werde ich gehalten.
Wenn ich an die Menschen in der Ukraine denke, erscheinen mir die Täler als besonders tief.
Das stimmt. Aber Kriegsflüchtlinge berichten mir auch von guten Erfahrungen: Eine Frau erzählte, dass sie bei der Ausreise an der Grenze von ihrer Freundin empfangen wurde. Sie sprach von Engeln, die sie die ganze Zeit geleitet hätten.
Und dann hat eine Helferin, die auf der deutschen Seite versucht, den Leuten beizustehen, gesagt: „Ich gehe jeden Abend glücklich ins Bett.“ Das hat mich sehr berührt, weil es zeigt: Materieller Reichtum oder das Durchsetzen der eigenen Interessen bringen kein Glück. Anderen Menschen helfen zu können, zu sehen, wie sie in Sicherheit sind, wie es ihnen gut geht: Das macht glücklich.
Von: Uwe Birnstein
6 Antworten
Mir fällt zu dem letzten Absatz John Bunyans „Pilerreise“, Kapitel 9: Im Tal der Todesschatten“ ein.
Hier eine – zugegegebenermaßen sprachlich veraltete – Version:
https://www.glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:b:bunyan:pilgerreise:neuntes_kapitel
Es ist in heutiger Zeit schon bemerkenswert, wenn ein Mensch Frömmigkeit und Glück in einem Zug nennt. Dabei sollte das doch das Selbstverständlichste sein!
Ich selbst kann bezeugen das wahre Glück gefunden zu haben, dass mir nichts und niemand mehr nehmen kann. Wer sein Glück im Äußeren hat, wie das auch noch bei Bedford zum Ausdruck kommt (obwohl natürlich nichts dagegen zu sagen ist, dass man sich über dieses oder jenes freut) kann nicht davon ausgehen, dass seine Freude beständig ist.
Die wahre Freude, das wahre Glück ist unabhängig von äußeren Gegebenheiten und deshalb kann man es allezeit haben. Es ist die Freude am Ewigen – daran, dass mir nichts und niemand Schaden zufügen kann, dass es immer nur vorwärts geht.
Ich rede hier nicht von einer Theorie, denn durch die Freude am Ewigen wurde ich in einer Zeit, da es keinen Anlass zur Freude gab – nämlich in meiner Depression – von dieser allmählich immer freier, bis ich schließlich ganz frei wurde. Wer das Paulus-Wort „Freut euch allezeit!“ 1. Thess. 5,16 beherzigt, kann es auch erleben. Grund zur Freude ist da immer!
Ich weiß natürlich, dass heute die Menschen viele Bedenken haben, deshalb versuche ich diese durch Beiträge auf meinem Blog, so gut wie möglich, auzuräumen: https://manfredreichelt.wordpress.com/2017/03/24/511/
Vielen Dank , das „Pro“ dieses Interview mit Heinrich Bedford—Strohm übernommen hat!
Die Authentizität dieses Mannes, ohne oberflächlich frömmlerisch zu sein, berührt mich sehr.
Leider wurde er, als er noch Ratsvorsitzender war, hier im Forum, besonders von unangenehm selbstgerechten „Frömmlern“ ,
oft hart und lieblos kritisiert.
So richtig seine Worte in diesem Interview sind, so hat B-Strohm nicht immer das Notwendige getan.
(dazu z.B. diese Einschätzung: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gespaltene-bilanz-heinrich-bedford-strohm-hoert-auf-17026127.html )
Kritik an B.-S. sollte möglich sein, ohne dass „JoMüllerberg“ seine Mitmenschen mit diffamierender Begrifflichkeit belegt.
Ich kann an Herrn Müllerbergs Äußerungen überhaupt nichts Diffamierendes erkennen. Dass Bischof Bedford-Strohm im PRO Kommentarteil immer wieder schäbig attackiert wurde, ist schlicht eine Tatsache. Wenig erstaunlich: die Frommen, die am lieblosesten austeilen, werden ganz dünnhäutig, wenn sie Gegenwind bekommen.
„Frömmigkeit und Glück sind Geschwister“ Halleluja! Amen.