Adolf Eichmann wurde bei einem weltweit verfolgten Gerichtsprozess in Jerusalem angeklagt in 15 Punkten, unter anderem „Verbrechen gegen das jüdische Volk“, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, „Kriegsverbrechen“ und die „Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation“. Eichmann wurde in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1962 durch Hängen hingerichtet.
Der Nazi-Verbrecher konnte unbehelligt in Argentinien leben, erst 16 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er in Argentinien von Agenten des israelischen Gemeindienstes Mossad gefangen genommen. Dass Eichmann aufgespürt werden konnte, ist unter anderem einem Pfarrer zu verdanken – Giselher Pohl.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) veröffentlichte im Sommer 2021 unter dem Titel „Der Mann, der Adolf Eichmann enttarnte“ einen Hintergrundbeitrag zu den Umständen, die zur Ergreifung Eichmanns führten. Die Autoren lasen unter anderem das Tagebuch von Rosemarie Pohl, Ehefrau des Pfarrers Giselher Pohl, sprachen mit den Kindern und Enkeln, und recherchierten in staatlichen und kirchlichen Archiven. So konnten sie zum ersten Mal nachweisen, „dass Eichmann mit Hilfe eines bis heute unbekannt gebliebenen Göttinger Akademikers enttarnt und deshalb in Jerusalem vor Gericht gestellt werden konnte“.
Hauptverantwortlich für die Festnahme Eichmanns war der deutsche Geologe Gerhard Klammer. Der hatte nach dem Krieg viele Jahre in Südamerika gearbeitet und dabei auch Eichmann kennengelernt, der unter dem Namen Ricardo Klement in der selben Firma arbeitete wie auch Klammer. Im Herbst 1959 hegt Klammer den Verdacht, dass es sich bei Klement um Eichmann handeln könnte. Er sollte Klammer bei geologischen Untersuchungen helfen, hatte dazu aber keinerlei Fähigkeiten.
Der Geologe traute sich nicht, mit der brisanten Information zum israelischen Geheimdienst zu gehen, weil er um seine berufliche Karriere fürchtete. Deswegen kontaktierte er seinen alten Studienfreund Giselher Pohl in Deutschland. Pohl hat Theologie studiert, Klammer Geologie, Geschichte und Philosophie. Inzwischen war Pohl einer der ersten Militärpfarrer nach dem Krieg in Deutschland und verfügte über gute Kontakte, um Hilfe in dieser Sache zu bekommen. Ihm übergab er auch als Beweis ein Foto, das Eichmann und Klammer gemeinsam zeigte.
Zur Belohnung eine Israel-Reise
Wie die SZ berichtet, war Pohls Vater Pfarrer in Deutsch-Horschowitz im Sudetenland. Der Sohn studierte ebenfalls Theologie und fing dann als Hilfsprediger bei seinem künftigen Schwiegervater an. „Es war die Zeit evangelischer Schuldbekenntnisse und Umkehrpredigten; die Kirchen waren voll.“ Die Göttinger Historikerin Annelise Thimme erinnerte sich in ihren Memoiren an „eine geistige und moralische Euphorie, wie man sie nur ganz selten erlebt“. Mit der Kirche wollte Klammer eigentlich nichts zu tun haben, aber hier war es ihm wichtig, sich an einen Kirchenmann zu wenden. „Ich möchte“, so zitieren ihn seine Kinder, „dass der Eichmann gefunden, aufgegriffen und bestraft wird.“
Pohl wiederum zog seinen Chef, Bischof Hermann Kunst, ins Vertrauen, der seit 1957 als Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum ersten Militärbischof bestellt worden war. Der wiederum wandte sich an den Staatsanwalt Fritz Bauer. „Fritz Bauer war der Einzige in der Bundesrepublik, der Eichmann wirklich vor Gericht sehen wollte und auch die Macht dazu hatte“, schreiben die SZ-Autoren. Pohls Ehefrau erinnerte sich, wie misstrauisch Bauer gegenüber ihrem Mann gewesen sei. „Sie werden als Geistlicher keine Belohnungsgelder …“, habe er bei Pfarrer Pohl vorsichtig nachgefühlt. „Sie handeln ja nur im Auftrag Gottes, ein Mörder muss bestraft werden.“ Ihr Mann sei sofort darauf eingegangen: „Ich denke gar nicht daran, dass es um Geld gehen könnte. Ich sehe das als meine Pflicht an.“
Am 25. November 1959 besuchte Generalstaatsanwalt Bauer Pohl in Unna und erhielt von ihm die Dokumente und Fotos, die die Identität und das Versteck von Adolf Eichmann belegten. Bauer übergab die Dokumente an den Mossad, und ein halbes Jahr später konnte ein Spezialkommando den gesuchten Kriegsverbrecher festnehmen. Die Agenten fanden heraus, dass Eichmann nach der Arbeit mit dem Bus nach Hause fuhr, täuschten eine Autopanne in der Nähe der Bushaltestelle vor und überwältigten ihn.
Als Dank für seine tragende Rolle zur Ergreifung Eichmanns wurde das Pastorenehepaar Pohl vom Staat Israel zu einer dreiwöchigen Reise in das Land eingeladen. „Wir wurden wie Staatsgäste empfangen“, schrieb Pohl in ihr Tagebuch. Wie die SZ berichtet, hatten sich die Ehepaare Pohl und Klammer für den Rest ihres Lebens ein Schweigegebot auferlegt. Erst mit 92 Jahren, kurz vor ihrem Tod, sprach Rosemarie Pohl ihrer Tochter auf Band, was ihnen „unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit“ anvertraut worden war.
Pfarrer Pohl war noch bis 1967 als Militärpfarrer tätig, dann übernahm er eine Gemeinde im nordrhein-westfälischen Welver. Pohl verstarb im Oktober 1996 im Alter von 70 Jahren.
2 Antworten
Ein interessantes Detail der Weltgeschichte. Schön zu sehen, wenn selbst Ungläubige Christen für am vertrauenswürdigsten halten und ihnen so eine Info weitergeben.
Leben wir auch so authentisch nach Gottes Gebot (ohne dass wir uns damit den Weg in den Himmel verdienen), dass andere uns für absolut vertrauenswürdig halten?
Und andererseits traurig, dass in Deutschland ihm wahrscheinlich nicht der Prozess gemacht worden wäre, und es Israel war, das ihn vor ein weltliches Gericht gestellt hat.
Danke für diesen ( spannend wie ein guter Krimi) historischen Bericht !
Ein wenig erinnert mich solch eine Geschichte( wenn auch nicht ganz so spektakulär) an „Honecker und der Pastor“ in Lobetal, auch Pastor Holmer hat ein gutes Beispiel gegeben, wie gut couragiertes Christentum wirkt.