Das schweizer Wahlvolk hat über eine Neuregelung der Organspende entschieden: 60,2 Prozent stimmten am Sonntag für die sogenannte erweiterte Widerspruchslösung. Damit gelten künftig alle Schweizer als potenzielle Organspender, die das zu Lebzeiten nicht ausdrücklich ablehnen. Vor allem die französischsprachigen Kantone stimmten deutlich für die Widerspruchslösung.
Mit dem Volksentscheid ändert die Schweiz ihr Organspende-Modell grundsätzlich. Zuvor galt, ähnlich wie in Deutschland, die sogenannte Zustimmungslösung. Von der Neuregelung betroffen sind alle Schweizer ab 16 Jahren.
Angehörige sollen dennoch das Recht haben, eine Organspende abzulehnen, wenn sie wissen, dass die verstorbene Person eine Organspende abgelehnt hätte.
Regierung und Parlament hatten der Neuregelung bereits zugestimmt. Nach Angaben der Regierung haben seit 2017 jährlich im Schnitt rund 450 Menschen Organe von Verstorbenen erhalten. Allerdings sei der Bedarf deutlich höher. Ende 2021 befanden sich 1.434 Schweizer auf der Warteliste für Organe. Mit der Neuregelung erhofft sich die Regierung mehr Spenderorgane für die Patienten auf der Warteliste.
Kirche scheitert mit anderem Vorschlag
Bereits im Vorfeld der Abstimmung hat sich der Rat der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) gegen die Widerspruchslösung und für das Erklärungsmodell ausgesprochen. Dieses bewahre den freiwilligen Charakter der Organspende, solle aber auch für das Thema sensibilisieren.
„Niemand könne aus moralischen Gründen verpflichtet werden, seinen Körper oder Teile davon anderen zur Verfügung zu stellen“, heißt es in der Erklärung. „Die erweiterte Widerspruchslösung verkehre die Spende als Akt christlicher Nächstenliebe in eine bürgerliche Solidaritätspflicht.“
Die Schweizer Bischofskonferenz lehnt die Widerspruchslösung ebenfalls ab. Zwar „unterstützt und fördert“ die katholische Kirche Organspende als „einen Akte inniger Nächstenliebe und Solidarität“, sieht in der Neuregelung ein „weniger effizientes“ Modell. „Im Gegenteil haben einige Beispiele unserer Nachbarländer und weltweit gezeigt, dass sich ein Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchsregelung sogar negativ auf die Spenderate auswirken kann.“ Eine Organentnahme ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person komme rechtlich betrachtet außerdem „einer Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte gleich“.