Es ist nicht immer selbstverständlich, dass ein österreichischer Journalist in der Berichterstattung frei agieren kann. Dem Autor dieser Zeilen ist eine Redakteurin bekannt, die nach einem Wechsel von einer namhaften Zeitung zu einer anderen positiv davon überrascht war, dass bei jener Zeitung Inseratenkunden auf die redaktionelle Berichterstattung keinen Einfluss nehmen.
Das mag durchaus als Metapher dafür gelten, wie es um die Pressefreiheit in Österreich bestellt ist: Es gibt sie einerseits noch, die unabhängig arbeitenden Redaktionen im Land. Stellvertretend für einige weitere seien hier die Wochenzeitungen FALTER und profil*, der ORF-Radiosender Ö1 und die ORF-Fernsehnachrichtensendung ZIB 2 genannt.
Jedoch haben es gerade die unabhängig arbeitenden Medien nicht immer einen leichten Stand im Land. Und vor allem stehen sie in Konkurrenz mit mächtigen Playern, die es mit der journalistischen Unabhängigkeit weniger genau nehmen. Wer etwa die machtpolitische Rolle der vom legendären Medienmacher Hans Dichand 1959 gegründeten Kronen Zeitung, kurz „Krone“, verstehen möchte, dem sei die arte-Doku „Tag für Tag ein Boulevardstück“ ans Herz gelegt: Auch 20 Jahre nach ihrem Erscheinen ist sie noch interessant und auf der Plattform Vimeo (nach kostenloser Registrierung) frei verfügbar.
Bezeichnend: Nachdem die Doku 2002 auf arte gezeigt wurde, nahm die Krone den Sender für einige Zeit kurzerhand aus ihrer Fernsehprogramm-Übersicht.
Ibiza-Affäre und andere Einflussversuche
Nicht zuletzt: Im berühmten Ibiza-Video wollte Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache die falsche Oligarchennichte nicht ohne Grund die Kronen Zeitung kaufen lassen, sondern weil er sich dadurch ein viel besseres Wahlergebnis erhoffte: „Dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34 Prozent.“ Auf gut Wienerisch zum „Asset“ Krone: „Bist du deppat, dann brauch ma gar nicht reden.“
Mit einer Auflage von über 600.000 Stück bei einer Wohnbevölkerung von neun Millionen Personen ist die Kronen Zeitung im Verhältnis zur Bevölkerung eine der größten Tageszeitungen der Welt – beinahe auf jeden zehnten erwachsenen Österreicher kommt ein Zeitungsexemplar. Kein Wunder, dass die Politik so erpicht darauf ist, darin positiv wegzukommen.
» Ibiza und die dunkle Seite der Macht: Österreichs Regierung am Ende
Doch immerhin ist die Zeitung nach dem Schock auf Ibiza unter Chefredakteur Klaus Hermann ernstlich bemüht, ihre Qualität zu heben. Zudem hat sie in der Corona-Krise anders als etwa teilweise die Bild-Zeitung durchaus verantwortungsvoll berichtet.
Jedoch steht das österreichische Unikum Kronen Zeitung und der teils gierige Blick der Politik auf ihre Medienmacht nur beispielhaft für eine Vielzahl an gelungenen und vergeblichen Einflussversuchen von Politikern auf den Journalismus im Land.
Ein weiteres Beispiel: Die wichtige Tageszeitung KURIER steht im Mehrheitseigentum der traditionell ÖVP-nahen Raiffeisenbank. Der frühere Chefredakteur Helmut Brandstätter kritisierte den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz scharf – schließlich wurde der Journalist abgesetzt und durch Martina Salomon ersetzt, die der Kurz-ÖVP wesentlich freundlicher gegenüberstand. Eine Einflussnahme der ÖVP über den Eigentümer Raiffeisen lässt sich zwar nicht beweisen, gilt aber für viele in der Branche als äußerst naheliegend.
Ein drittes Beispiel: Der bereits genannte öffentlich-rechtliche ORF ist zwar offiziell unabhängig, jedoch mischt sich die Politik traditionell sehr stark in den Rundfunkkonzern ein. Zuletzt sind etwa geheime Dokumente aufgetaucht – sogenannte „Sideletter“ – also Nebenabsprachen zum Regierungsprogramm unter der Kurz-Strache-Koalition von ÖVP und FPÖ – die bis hinunter zu den Chefredakteuren der Fernsehsender ORF 1 und ORF 2 konkrete Personen für die jeweiligen Positionen vorsahen.
Dass in den genannten Sendern bzw. Sendungen wie Ö1 und der ZIB 2 trotzdem politikfern gearbeitet wird, ist selbstbewussten Redakteuren zu verdanken, die sich von der Politik nicht vor den Karren spannen lassen. Ein Beispiel: Der bekannte TV-Moderator Armin Wolf.
Journalisten bedroht und behindert
Nun sei an dieser Stelle auch noch gesagt, dass Sebastian Kurz, der lange als politisches Wunderkind galt, nur wenig Respekt vor der unabhängigen Presse hatte. Schließlich musste Kurz aufgrund der sogenannten Beinschab-Affäre zurücktreten, in der es unter anderem auch um mutmaßlich gekaufte Berichterstattung in der Boulevardzeitung Österreich (ein weiterer mächtiger Player) und für den späteren Kanzler günstige Meinungsumfragen ging.
Nicht zuletzt deshalb hat die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ das Land von Platz 17 auf Platz 31 im internationalen Pressefreiheitsindex 2022 zurückgestuft. Ständige Versuche vonseiten der Politik, „Einfluss auf die Presse zu nehmen“, sind ein Grund für die Einschätzung von „Reporter ohne Grenzen“. Weiterhin auch ein fehlendes Informationsfreiheitsgesetz, das dazu führt, dass Journalisten durch das Amtsgeheimnis häufig in ihrer Recherche behindert werden.
Zudem gab es Bedrohungen und körperliche Angriffe auf Journalisten bei Coronademos. Beispielsweise kam es 2021 teilweise auch vor größeren Redaktionen zu Demos.
Die Politik sollte bezüglich der Pressefreiheit über den Tellerrand blicken
Freilich gilt auch: In Vergleich mit Ländern wie Ungarn oder Polen oder in letzter Zeit auch Slowenien, wo Premier Janša etwa von der US-Organisation Freedom House für seinen „boshaften“ Umgang mit Journalisten kritisiert wurde, steht Österreich in Bezug auf die Medienfreiheit immer noch gut da. Im Vergleich mit Deutschland oder den skandinavischen Ländern gibt es im Land jedoch gehörige Defizite. Alarmierend ist jedoch vor allem der Trend, dass sich die Pressefreiheit in den vergangenen Jahren signifikant verschlechtert hat, wie „Reporter ohne Grenzen“ zu Recht bemerkt hat.
Die Rahmenbedingungen für freie Medien sind Sache der Zivilgesellschaft, beherzter und demokratiebewusster Medienunternehmer und Verleger, aber auch der Politik. Ihr tut hier ein Blick über den Tellerrand not: Auch wenn journalistische Freiheit im Konkreten heißen kann, dass auch über einen selbst negativ berichtet wird, braucht es eben diese journalistische Freiheit letzten Endes für den Bestand einer modernen Demokratie.
Seit Ende vorigen Jahres hat Österreich nicht nur Karl Nehammer als neuen Bundeskanzler, sondern mit Susanne Raab auch eine neue Medienministerin (beide ÖVP). Es wird abzuwarten sein, ob sie diesen Blick über den Tellerrand besitzt oder ob auch unter ihrer Verantwortung Medienpolitik in traditioneller österreichischer Manier mit Regierungs-PR vermischt wird.
Zumindest Bundespräsident Alexander van der Bellen forderte unterdessen eine Trendwende ein: „Diese Tendenz muss nicht nur gestoppt, sie muss umgekehrt werden“, meinte dieser laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Es bleibt zu hoffen, dass diesen Worten die richtigen Taten folgen.
Von: Raffael Reithofer, Österreich; *Compliance-Hinweis: Der Autor war 2018 in der profil-Redaktion tätig.
Eine Antwort
Als Österreicher kann ich diesem Artikel vollauf zustimmen, jedoch gehen sie damit, gleichauf wie die Reporter ohne Grenzen, den in Österreich vorherrschenden linken Mainstream auf dem Leim. Die österreichische Medienlandschaft bis hinauf zum ORF, ist gänzlich von dieser Strömung infiltriert. Was sich immer mehr zeigt, wurde der, von ihnen angesprochene Medienskandal um Kurz und Freunde, von dieser linken Lobby inszeniert. Sogar in der von mir abonnierten Katholischen Tageszeitung „Kleine Zeitung“ findet man seit vielen Monaten, keinen negativen Artikel gegen den, dem linken Zeitgeist zugehörigen Parteien und Zirkeln. Negative Vorkommnisse in diesen Gruppierungen werden tunlichst verschwiegen. Nachdem ich mehrmals, meine Zeitung, auf diese Umstände aufmerksam gemacht habe, wurde mir der Internetzugang gesperrt. Ist das Medienfreiheit? Auch, die für Kurz und Freunde, positiven Gerichtsentscheidungen, wurden einfach nicht publiziert. Für sie meine Damen und Herrn, hätte ich den Vorschlag, wenn sie schon einen Artikel übernehmen und veröffentlichen, dann bitte recherchieren. Doch werde ich weiterhin ihre Newsletter genau verfolgen.
Mit freundlichen Grüßen
Alois Kummer