Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum Volksaufstand am 17. Juni vor 70 Jahren die Opfer als „Vorkämpfer unserer heutigen Demokratie“ gewürdigt. Steinmeier unterstrich bei einer Gedenkstunde im Deutschen Bundestag am Freitag den Mut und den Freiheitswillen der Demonstranten. „Sehnsucht nach Freiheit“ und „Hoffnung auf eine bessere, eine selbstbestimmte Zukunft“ habe die Menschen gegen die Diktatur in der DDR auf die Straße getrieben. „Was damals geschah, war eine Massenerhebung gegen die Diktatur. Ein Volksbegehren für die Demokratie“, sagte Steinmeier.
Der 17. Juni war von 1954 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 als „Tag der Deutschen Einheit“ der Nationalfeiertag der Bundesrepublik Deutschland. Heute ist der 17. Juni ein nationaler Gedenktag.
17. Juni kaum Teil der Erinnerungskultur
Eine aktuelle Forsa-Umfrage der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat zutage gefördert, dass 49 Prozent der insgesamt 1.004 Befragten (Alter ab 14) mit dem Datum nichts verbinden können. Nur jeder siebte Befragte (14 Prozent) im Alter zwischen 14 und 29 konnte das Datum dem Volksaufstand in der DDR zuordnen.
Nach Ansicht der Direktorin der Bundesstiftung, Anna Kaminsky, ist der Gedenktag „noch nicht ausreichend in der gesamtdeutschen Erinnerungskultur verankert“. Kaminsky fordert, „große Geschichte“ auf die Lebenswelten der Menschen herunterzubrechen, wenn „ein Bewusstsein für den demokratischen Widerstand gegen die kommunistische Diktatur“ geschaffen werden solle.
Der Verein berlin.History hat zum Jahrestag des DDR-Volksaufstands vom 17. Juni einen Ticker im Internet veröffentlicht, mit dem sich die Ereignisse von vor 70 Jahren verfolgen lassen. Das Projekt dokumentiert die Geschehnisse um die Massenproteste in der damaligen DDR in Ost-Berlin und zahlreichen Städten und Dörfern Brandenburgs.
Hintergrund
Am 15. Juni 1953 hatten sich erste Unruhen in der DDR unter anderem durch einen Sitzstreik der Bauarbeiter am Krankenhaus in Berlin-Friedrichshain verschärft. Grund war eine „zehnprozentige Normenerhöhung“, die für die Arbeiter „eine große Härte“ darstellte. Die Bauarbeiter verlangten, „daß von dieser Normenerhöhung auf unserer Baustelle Abstand genommen wird“. Die Forderung erreichte noch andere Baustellen, sodass bereits am 16. Juni mehr als 10.000 Arbeiter demonstrierten.
Am 17. Juni traten die Belegschaften vor allem großer Betriebe in den Streik und organisierten Demonstrationszüge, die in die Zentren der größeren Städte führten. Im Zentrum von Ost-Berlin versammelten sich Tausende, um für die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse, für „freie und geheime Wahlen“ sowie gegen den von den SED-Kommunisten rigoros geführten Aufbau des Sozialismus in der DDR zu protestieren. Auch in Magdeburg, Halle und in Dresden sowie zahlreichen anderen Städten gingen die Menschen für ihre Forderungen auf die Straße und streikten.
Um 13 Uhr verhängte der sowjetische Militärkommandant über den sowjetischen Sektor von Berlin den Ausnahmezustand. Damit übernahm die Sowjetunion offiziell wieder die Regierungsgewalt in der DDR. In der Folge drängten eingerückte sowjetische Truppen mit T34-Panzern im Ostteil Berlins die Demonstranten von den Plätzen in Nebenstraßen ab. Dort wurden die Gruppen von Tausenden Angehörigen der Volkspolizei und der sowjetischen Infanterie – auch unter Einsatz von Schusswaffen –zerschlagen.
Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 forderte zahlreiche Todesopfer. 55 Tote sind durch Quellen belegt, Dutzende blieben bislang ungeklärt. Erst am 11. Juli 1953 wurde in Ost-Berlin der Ausnahmezustand wieder aufgehoben.