Der Wittenberger Theologe und DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer ist eine zentrale Symbolfigur der Wende. Der Friedenspreisträger und „Schwerter zu Pflugscharen“-Schmied wird 70 – und bleibt unbequem.
Der „Schwerter zu Pflugscharen“-Schmied Friedrich Schorlemmer wird am Freitag 70 Jahre alt (Archivbild, 2009)
Friedrich Schorlemmer, Symbolfigur der DDR-Opposition, feiert am Freitag seinen 70. Geburtstag. „Mein Leben war in vielem nicht leicht, aber es war reich“, blickt der Theologe, Publizist und Friedenspreisträger aus Wittenberg zurück. „Mir vorzustellen, ich gehe auf die 80 zu, das ist das einzig Schwierige an dem Datum. Aber sonst kann ich darüber nur lachen“, sagte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Was ihn derzeit sehr bekümmere, sei die Gleichgültigkeit und Lethargie in und gegenüber der Demokratie. „Die Demokratie ist wie ein Garten, wenn man den nicht pflegt, der verwildert sehr schnell“, sagte Schorlemmer. Zu wenige Ost- und Westdeutsche würden begreifen, wie wichtig Europa für den Frieden sei.
Aus Schwert mach Pflugschar
1983 schmiedete Schorlemmer zusammen mit Freunden in einer damals spektakulären Aktion ein Schwert in eine Pflugschar um. Der Slogan „Schwerter zu Pflugscharen“ wurde zum Leitmotiv der christlich geprägten DDR-Friedensbewegung. In Micha 4,3 ist zu lesen: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erhaben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“
Mit seinem Aufruf zur Gewaltlosigkeit bei der Massendemonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz schrieb der Bürgerrechtler deutsche Geschichte. Nach der Wende trat er in die SPD ein, neben der Arbeit für die Evangelische Kirche engagierte er sich auch im Wittenberger Stadtrat. Heute ist er im Ruhestand – aber auch als Autor auf Reisen.
„Kommunisten haben Macht friedlich abgegeben“
Schorlemmer wurde am 16. Mai 1944 in Wittenberge in Brandenburg geboren. In der DDR war er Repressalien ausgesetzt, wurde von der Stasi bespitzelt. Zur friedlichen Revolution 1989 gehört aus seiner Sicht aber auch, „dass die Kommunisten den Machtlöffel friedlich abgegeben haben“. Keiner habe gewusst, wie der 9. Oktober in Leipzig ausgehe.
Der 9. Oktober wird als Wendepunkt der friedlichen Revolution in der DDR 1989 gesehen. Regierende der SED gingen von Ignoranz und Konfrontation zu zunehmender Gesprächsbereitschaft über. Durch die friedliche Demonstration vom 9. Oktober waren weitere Schritte möglich, die zur Wende in der DDR, zum Mauerfall am 9. November und zur Wiedervereinigung Deutschlands 1990 beitrugen.
Immer noch deutsch-deutsche Debatte
Mit der deutschen Einheit sei es den demokratischen Kräften gelungen, „die alten Gespenster nicht wieder zu beleben“, sagte Schorlemmer über die deutsche Vergangenheit. Die rechtsextreme NPD habe aus seiner Sicht heute keine politische Chance. Die Zivilgesellschaft sei wach, die Menschen lebten in einem Rechtsstaat.
Es gebe jedoch zwei Tendenzen, die aus seiner Sicht die innere Einheit immer noch gefährdeten: „Eine Dämonisierung all dessen, was Leben in der DDR war und auf der anderen Seite eine Trotzreaktion – es war doch alles ganz schön.“ Zwischen diesen beiden Polen vollziehe sich immer noch die deutsch-deutsche Debatte.
Über sich selbst sagt Schorlemmer: „Ich habe meine Wut noch behalten.“ Der Autor wolle sich auch künftig einmischen. Den Bundesbürgern gibt er diesen Rat: „Jeder Bürger, jede Bürgerin soll sich in einer der demokratischen Initiativen in unserem Land engagieren, sie bilden das Rückgrat der Gesellschaft“. (pro)
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