Der 21. Deutsche Bundestag ist gewählt. 630 altbekannte, aber auch neue Abgeordnete werden in den nächsten vier Jahren die Geschicke Deutschlands lenken. Vor allem die politischen Ränder sind im neuen Bundestag erstarkt. Denn AfD und Linke haben deutlich an Stimmen dazugewonnen, besitzen nun sogar eine Sperrminorität. Damit können beide Parteien gemeinsam zum Beispiel Grundgesetzänderungen, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen, blockieren. Was beide noch eint, ist ihre Position zu Israel. Denn beide wollen den angegriffenen jüdischen Staat nicht mit Waffen unterstützen. Gleiches gilt übrigens für die Unterstützung der Ukraine.
Und auch ein Blick auf die einzelnen Abgeordneten fördert Verstörendes hervor. Bei den Linken gewann beispielsweise Ferat Koçak ein Direktmandat in Berlin-Neukölln. Koçak ist natürlich gegen Waffenlieferungen, verteidigt israelfeindliche Demonstrationen und macht allein Israel für die Lage in Gaza verantwortlich. Die „Jüdische Allgemeine“ spricht von „Verschwörungsmythen“, die Koçak verbreitet. Linken-Chef Jan van Aken twitterte erst kürzlich, dass er nicht wisse, wie die israelischen Geiseln Kfir und Ariel Bibas während ihrer Gefangenschaft im Gazastreifen ums Leben gekommen sind. Dafür erntete er massiv Kritik. „X“-Nutzer warfen ihm vor, die Verbrechen der Hamas zu verschweigen.
Bei der AfD haben mehrere Vertraute des Thüringer Landeschefs Björn Höcke den Sprung in den Bundestag geschafft. Darunter sein bisheriger Büroleiter Robert Teske. Matthias Helferich (bezeichnete sich einst als das „freundliche Gesicht des NS“) oder Maximilian Krah („nicht alle SS-Mitglieder waren Verbrecher“) haben es ebenso in den Bundestag geschafft. Die Liste ließe sich leider fortsetzen. Darüber hinaus ist die Sorge im politischen Berlin groß, wen die gewählten AfD-Abgeordneten in ihre Bundestagsbüros holen. Bereits in der vergangenen Legislatur beschäftigten AfD-Politiker nach einer BR-Recherche mindestens 100 Rechtsextreme.
Bereits direkt nach der Wahl und mit Blick auf den Wahlerfolg der AfD sagte die Holocaust-Überlebende und frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch: „Das ist ein Fanal.“ Deutschland sei nun ein anderes Land. Was das konkret bedeutet, zeigt das Beispiel Hanna Veiler, ihres Zeichens Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD). In einem Interview der „Jüdischen Allgemeinen“ erklärte die 27-Jährige, dass sie Deutschland verlassen will. Nach der Bundestagswahl und dem Wahlerfolg der AfD sei eine rote Linie überschritten.
Jüdisches Leben in Deutschland ist nicht erst seit der Bundestagswahl bedroht. Und auch nicht neu ist, dass jüdisches Leben von allen Richtungen – links, rechts, muslimisch – bedroht wird. Doch die Geschichte zeigt, dass eine Gesellschaft, die es Juden unmöglich macht, zu leben, sich es früher oder später selbst unmöglich macht, frei zu leben.
Dieser Text wurde zuerst in dem wöchentlich erscheinenden Newsletter PROkompakt veröffentlicht. Hier können Sie ihn kostenlos abonnieren.