20 Jahre Einheit: Die vergessenen Opfer der DDR



Am Sonntag wird in Deutschland der 20. Jahrestag der Deutschen Einheit gefeiert. Wer das Buch von Jürgen Aretz und Wolfgang Stock "Die vergessenen Opfer der DDR" liest, dürfte froh sein, dass das DDR-Regime 1990 ausgedient hatte. Die beiden Autoren beschreiben 13 Fälle von politischen Gefangenen, die in der "späten" DDR unter Erich  Honecker verhaftet wurden.
Von PRO

Gründe für die Inhaftierung waren ihr Glaube, Verwandtschaft im Westen,
der Einsatz für Demokratie, die Wehrdienstverweigerung, dass sie in die
Freiheit fliehen wollten oder einfach nur staatliche Willkür. Für das
Buch haben sich 13 Opfer eines "Staates, der keine Unabhängigkeit
zuließ", bereiterklärt, über ihre persönlichen Schrecken der
Zwangsherrschaft zu berichten. "Jeder Fall ist anders, aber jeder ist
auch typisch für viele in der DDR, die Ähnliches erlitten haben",
erklärte Autor Wolfgang Stock gegenüber pro.


"In manchen Medienbeträgen und Fernseh-Talkshows wird heute ein Bild von der DDR gezeichnet, das wesentliche Teile der Realität ausklammert oder menschenverachtende Schändlichkeiten, die nicht wegdiskutiert werden können, auf das Fehlverhalten Einzelner reduziert", ergänzt Stock. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass nicht die "Verhältnisse" oder ein abstraktes System für das Geschehene verantwortlich waren, "sondern jene, die es erdacht, aufgebaut und bis 1989 getragen haben".

Das ungeborene Kind als Erpressungsmittel

Günter Fritzsch etwa weigerte sich als Spitzel für die Staatssicherheit zu arbeiten. Deswegen wurde er zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Weder die Stasi-Beamten noch die jungen Eheleute Fritzsch wussten zu diesem Zeitpunkt, dass Fritzsch‘ Ehefrau Marion schwanger war. Als die Stasi dies erfuhr, drohten sie den jungen Eheleuten mit der Verhaftung von Marion Fritzsch, um sie zu erpressen. Günter Fritzsch selbst wurde angedroht sein Kind auf Jahre hinaus nicht sehen zu dürfen. Die Geschichte von Gisela Mauritz, die zur Adoption ihres Kindes gezwungen wurde, ist später sogar verfilmt worden. Bodo Strehlow und Siegmar Faust schildern, wie sie aus unterschiedlichen Gründen ihr Leben in absoluter Isolierhaft beziehungsweise im Zuchthaus verbrachten.

Die 13 Berichte vermitteln deutlich, welche Lappalien in dem SED-Regime ausreichten, um bestraft zu werden. Zu Wort kommen die bekennenden katholischen Christen Sabine und Peter Schwartz, Vera Lengsfeld, eine der Symbolfiguren der Friedens- und Umweltbewegung in der damaligen DDR, und die Lehrerin Brigitte Bielke. In ihrem Fall reichte die Wahlenthaltung bei der Volkskammerwahl für eine überfallartige Verhaftung. Im Verhör wurde sie gezwungen, auf ihr gesamtes Eigentum zu verzichten.

Das Buch bietet dem Leser einen Einblick in die Arbeitsmethoden des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und die aktuellen geschichtlichen Entwicklungen. Auszüge aus den Stasi-Akten, die am Ende jeder Biographie zu finden sind, verdeutlichen darüber hinaus die Menschenverachtung, mit der in der DDR zu Werke gegangen wurde.

Autor Jürgen Aretz war thüringischer Staatssekretär und ist zurzeit Generalbevollmächtigter der Thüringer Aufbaubank in Brüssel. Wolfgang Stock ist Journalist, Autor und Berater in Berlin. Das Vorwort des Buches wurde von dem Theologen Rainer Eppelmann geschrieben. Der frühere CDU-Politiker war  engagierter Oppositioneller undMinister für Abrüstung und Verteidigung der letzten DDR-Regierung. (pro)

Jürgen Aretz / Wolfgang Stock: "Die vergessenen Opfer der DDR – 13 erschütternde Berichte mit Original-Stasi-Akten", Mit einem Vorwort von Rainer Eppelmann. 216 Seiten, Palmedia, ISBN 978-3-00-029219-4, 14,90 Euro.

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