Was darf Satire? „Alles“, antwortete der Schriftsteller Kurt Tucholsky einst auf diese Frage. Seine schlichte Formel wird dieser Tage zwar nicht ganz so oft, aber immerhin im selben Zusammenhang bemüht wie das französische „Je suis Charlie“. Dabei hat Tucholsky nach den Kriterien deutscher Juristerei Unrecht. Denn die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen steht hierzulande unter Strafe. Im Jahr kommt es in der Bundesrepublik zu durchschnittlich 15 Verurteilungen nach diesem Paragraphen. Im vergangenen Jahr etwa sollte ein Autor des rechten Weblogs Politically Incorrect 2.500 Euro Strafe zahlen, weil er den Islam mit einem Krebsgeschwür verglich und als „brandgefährliche, intolerante, frauenfeindliche, gewalttätige und machthungrige Ideologie“ bezeichnete.
Der Grund, warum der sogenannte Blasphemie-Paragraph nur selten zum Einsatz kommt, liegt unter anderem in der Einschränkung, die er macht. Bestraft kann nur werden, wer Äußerungen macht, die „den öffentlichen Frieden stören“. Dieser Begriff gehört zu den schwammigsten, die das Recht zu bieten hat. Staatskirchenrechtler übersetzen das oft so, dass die Beleidigungen dazu geeignet sein müssen, soziale Unruhen entstehen zu lassen und zugleich einzelne Gläubige herabwürdigen. Ein weiteres Kriterium ist auch, ob negative Folgen für die Anhänger einer Religion entstehen, etwa, wenn sie wie im obigen Beispiel verallgemeinernd als frauenfeindlich bezeichnet werden. Dass Zeichner von Mohammed-Karikaturen nicht bestraft werden, ist damit zu erklären, dass der Paragraph neben seiner vielfältigen Interpretierfähigkeit mit der Presse- und Kunstfreiheit konkurriert.