Rezension

„Es keinen besseren Ort als ein Gefängnis, wenn man Pastor werden will“

Als Teenager dealte Ronald Olivier mit Drogen, mit 16 erschoss er einen Jungen. Er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Im Knast kommt Olivier zum Glauben. Er studiert und wird Pastor. Und das größte Wunder geschieht: Er kommt frei.
Von Jörn Schumacher
Ein zum Tode verurteiltes christliches Ehepaar sitzt weiterhin im Gefängnis (Symbolbild)

In seiner Biografie „27 Sommer“, die vor kurzem auf Deutsch im Francke-Verlag erschienen ist, beschreibt Ronald Olivier seinen unglaublichen Werdegang. Mit 15 interessierten ihn vor allem Musik, Alkohol und Mädchen. Sein Vater verließ die Familie, er selbst ist hauptsächlich auf den Straßen von New Orleans unterwegs, wird kriminell, knackt Autos und dealt mit Drogen. „New Orleans in den 90ern war wie ein Dschungel“, schreibt er. „Entweder man tötete oder man wurde getötet.“ Irgendwann war so gut wie jeder Dealer mit einem Revolver ausgestattet. „Das Krachen der Feuerwaffen wurde zu einer alltäglichen Geräuschkulisse“, erinnert sich Oliver. „Es klang wie beim Feuerwerk zum 4. Juli, nur eben ständig.“

Als er 16 ist, macht er zwei Fehler, die sein Leben grundlegend verändern. Er beschafft sich eine Pistole; wenig später erschießt er einen 14-jährigen Jungen. Mit 18 wurde Oliver verurteilt zu einer lebenslänglichen Haft ohne Bewährung. Anders als in Deutschland bedeutet das in Amerika das, was es heißt: Lebend würde er den Knast nicht mehr verlassen. Olivier beschreibt in seinem Buch nicht nur, wie er immer mehr auf die schiefe Bahn geriet, sondern auch den Horror des Lebens im Knast. Ein finsterer Ort, an dem jeder gegen jeden kämpft und man nur überlebt, wenn man zum Kämpfen bereit ist.

Doch Olivier erinnert sich an diesem Tiefpunkt seines Lebens an einen Satz seiner Mutter: „Weißt du was, mein Schatz? Solltest du eines Tages in echten Schwierigkeiten stecken, Schwierigkeiten, aus denen selbst ich dich nicht mehr herauspauken kann – dann wende dich an Jesus.“ Und Olivier tut es. Er betet. „Zum ersten Mal in meinem Leben merkte ich, dass Jesus mir etwas schenkte. Es war das, was ich am dringendsten brauchte. Frieden.“

„Gott lässt sich an den unmöglichsten Orten finden“

Bald empfindet er Ekel vor sich selbst. Er hatte rückblickend das Gefühl, schon früher muss Jesus seine Finger im Spiel gehabt haben. Allein die Tatsache, dass er überhaupt noch lebte und nicht schon längst auf der Straße erschossen worden war, zeugte in seinen Augen davon. Olivier lernt: „Gott lässt sich finden, auch an den unmöglichsten Orten. Das merkst du erst recht, wenn du hinter Gittern sitzt.“ Im Gebet und im Gottesdienst erfährt Olivier Frieden. Ein Prozess der Veränderung beginnt, Oliver hört mit dem Fluchen auf, setzt sich für Mithäftlinge ein, studiert das Wort Gottes und lernt immer mehr, ihm zu vertrauen.

„So sehr auch die Gier nach Alkohol, Frauen und Adrenalin seinerzeit mein Handeln bestimmte, so wenig hatte ich sie befriedigen können“, schreibt Oliver. „Jetzt aber erlebte ich, wie gut es sich anfühlte, tiefen Frieden zu spüren angesichts dessen, was Gott in meinem Leben tat, und gleichzeitig immer mehr davon zu wollen.“ Der Weg, den er mit Gott geht, lässt ihn seinen neuen Wahlspruch erkennen: „Behaupte nie, es gäbe etwas, das Gott nicht schafft!“

Dieser Satz wird sich noch stärker als wahr herausstellen, als er damals vielleicht ahnte. Olivier machte im Knast das Abi, studierte Theologie und wurde Pastor. „Es gibt auf der ganzen Welt keine bessere Lehranstalt als ein Gefängnis, wenn man Pastor werden will“, ist ihm klar. Und alles, was er erleben muss, kommt ihm vor wie „geistliches Bodybuilding“. Wie durch ein Wunder wird sein Fall dann neu verhandelt, und so kann Oliver nach 27 Jahren tatsächlich, entgegen aller Wahrscheinlichkeiten, das Gefängnis verlassen. Heute ist Ronald Olivier als Gefängnisseelsorger tätig.

Ronald Olivier: „27 Sommer: Mein Urteil lautete lebenslänglich, aber Gott hatte andere Pläne“, Francke-Verlag, 304 Seiten, 16 Euro

Olivier gibt in seinem Buch unter anderem eine Erkenntnis des Predigers Bill Yount wieder, die sehr schön beschreibt, wie Gott auf Gefängnisinsassen blickt. Der langjährige Gefängnispastor beschreibt, wie er eines Nachts von Gott geweckt wurde. Gott fragte ihn: „Wo verwahren die Leute ihren kostbarsten Besitz?“ Die Antwort: „Sie bringen ihn zu einer Bank und deponieren ihn in einem Safe. Und dann schließen sie ihn ab. An genau so einem Ort hebe auch ich meine Reichtümer auf. Auch sie sind eingeschlossen. In Gefängnissen.“

Das Buch „27 Sommer: Mein Urteil lautete lebenslänglich, aber Gott hatte andere Pläne“ ist so fesselnd geschrieben, dass man es kaum weglegen möchte. Die Wandlung des rücksichtslosen Jungen, dem alles egal ist, hin zu einem ergebenen Diener Gottes, der erst viel Leid ertragen muss und am Ende einen unglaublichen Sieg erfährt, ist beeindruckend. Und es wird auch ein bisschen klar: Kein Mensch ist ohne Fehler, und eigentlich sind wir alle in Gottes Augen ein bisschen straffällig Gewordene, die nur durch seine Gnade leben.

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